Hat der VfB in der neuen Saison Grund zum Jubeln? Foto: Baumann

Ottmar Hitzfeld zählt zu den erfolgreichsten Trainern unserer Zeit. Umso mehr überrascht sein Geständnis vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison: „Ich hatte immer wieder Existenzangst.“

Ottmar Hitzfeld zählt zu den erfolgreichsten Trainern unserer Zeit. Umso mehr überrascht sein Geständnis vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison: „Ich hatte immer wieder Existenzangst.“ 
 
Herr Hitzfeld, nach dem WM-Aus mit der Schweiz im Achtelfinale haben Sie sich in den Ruhestand verabschiedet. Gut erholt?
Danke, mir geht es sehr gut. Der Druck ist abgefallen, ich habe keine Verantwortung mehr, eine Mannschaft weiterzuentwickeln oder aufzubauen.
Ein schönes Gefühl? Oder fehlt Ihnen schon etwas?
Es ist sogar ein sehr schönes Gefühl, das ich von 2004 her kenne, als ich schon einmal aufgehört hatte. Damals hatte ich zwar einen leichten Burn-out und brauchte die Zeit, um mich zu erholen, dennoch habe ich auch diese zweieinhalb Jahre sehr genossen.
Und ein Kribbeln hat sich kurz vor dem Saisonstart wirklich noch nicht eingestellt?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich freue mich natürlich  auf die Spiele, die ich ja als TV-Experte für Sky weiterhin aufmerksam verfolgen werde. Zudem habe ich bereits zwei Spiele der ersten Liga in der Schweiz besucht. Auch die konnte ich – anders als im Amt des Nationaltrainers – genießen. Davor war auch das immer mit Druck verbunden.
Das Leben als Trainer ist zehrend?
Es steht einfach immer das nächste Spiel im Fokus. Die Erwartungshaltung ist hoch, man muss gewinnen, um in Ruhe weiterarbeiten zu können. Wenn man verliert, steht man immer gleich unter Druck. Das alles geht an die Substanz – ich denke, das geht allen Trainern so, egal, ob in der Bundesliga oder im Amateurbereich.
Was müsste sich ändern, damit der Job ein wenig stressfreier würde?
Zunächst darf man eines nicht vergessen: Wenn man als Bundesligatrainer arbeiten kann, ist man privilegiert. Es gibt viele andere Trainer, die sich das auch wünschen, in der Bundesliga aber nie eine Chance bekommen. Aber klar ist auch: Die Anforderungen an einen Trainer im Profigeschäft sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – allein schon wegen der intensiven Medienarbeit.
Dafür arbeiten jetzt ganze Trainerteams mit den Mannschaften.
Das stimmt schon. Als ich angefangen habe, hatte ich nur einen Co-Trainer – und der war nicht mal hauptberuflich tätig, ich habe also vieles alleine gemacht. Das hat sich mittlerweile geändert, das Arbeitsaufkommen ist für den Cheftrainer dennoch nicht weniger geworden. Und der Druck war und ist immer da – schon deshalb, weil man ihn sich selbst macht. Ich war immer mein größter Kritiker.
Und jeder Misserfolg kann das Aus bedeuten. Belastet das die Arbeit?
Ich weiß nicht, wie andere Trainer da denken, aber ich hatte immer wieder auch Existenzangst. Ich wusste, dass ich in einer Branche arbeite, in der die Entlassungsrate sehr hoch ist. Und ich wusste auch, dass es schwer wird, weitere Verträge zu bekommen, wenn der Erfolg ausbleibt. Gerade junge Trainer kann das belasten – denn 30 Jahre Fußballcoach zu sein, das ist schon ein langer Weg. Und es kann ja auch sein, dass man zehn Jahre erfolgreich ist, mit 45 oder 55 dann aber keinen Job mehr bekommt. So wird man von Erfolg zu Erfolg gedrängt – das hat man immer im Hinterkopf.
VfB-Trainer Armin Veh mahnte kürzlich eine gewisse Lockerheit an. Geht das überhaupt?
Locker kann man sein, solange es gut läuft. Wenn es nicht läuft, kann man auch nicht allzu locker sein – sonst wird einem das gleich negativ ausgelegt (lacht). Aber sicher, das ist ein guter Ansatz . . .
. . . der schwer umzusetzen ist?
Ja, das ist tatsächlich schwer umzusetzen.
Zurück zur Weltmeisterschaft: Haben Sie die Spiele auch nach dem Aus mit der Schweiz überhaupt noch verfolgt?
Natürlich, vor allem habe ich die Spiele der deutschen Mannschaft angeschaut – als Fan.