FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke bei einer Rede im baden-württembergischen Landtag. Er will das Netzwerk rund um die rockerähnliche Gruppe „Osmanen Germania Boxclub“ zum Thema eines Untersuchungsausschusses im Bundestag machen. Foto: dpa

Baden-Württembergs FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke fordert einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Netzwerk der Erdogan-treuen Straßengang in Deutschland. In ihrem Visier: Kritiker des türkischen Staatspräsident und Kurden in Deutschland.

Stuttgart - Nach außen geben sich die Osmanen als sozial engagierte Sportfreunde, die kriminelle Jugendliche von der Straße und zum Boxsport holen wollen. In Wirklichkeit finanzieren Jugendfreunde und enge Vertraute des türkischen Präsidenten Erdogans die Straßengang, damit diese sich in Deutschland bewaffnen kann. Ein Thema für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages, sagt FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke.

Herr Rülke, vor drei Monaten haben wir uns gemeinsam Abhörprotokolle zu dem Netzwerk angeschaut, das der türkische Staatspräsident Recep Tayyib Erdogan in Deutschland hat aufbauen lassen. Es soll seine Kritiker und kurdischstämmige Menschen bedrohen und einschüchtern. Was ist seitdem geschehen?
Viel zu wenig! In Baden-Württemberg wird das Beziehungsgeflecht, das der Osmanen Germania Boxclub, der Erdogan-Lobbyverein Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD), der türkische Geheimdienst, Paladine und Jugendfreunde Erdogans und staatliche türkische Stellen wie die Religionsbehörde Ditib aufgebaut haben, von der Landesregierung weiter unterschätzt. Und damit auch die Strategie Erdogans, die türkisch-stämmige Bevölkerung in Deutschland für seine nationalistischen und demokratiefeindlichen Ziele zu manipulieren.
Was ist eine Strategie, dies zu verändern?

Es ist für Gesellschaft und Rechtsstaat notwendig dagegenzuhalten. Auch hier in Baden-Württemberg. In Hessen werden die Osmanen seit drei Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Die FDP fordert seit Dezember, dies auch hier im Land zu tun und auch die UETD beobachten zu lassen. Innenminister Strobl schafft es jedoch nicht, der Gefahr zu begegnen.

Warum halten Sie die UETD für gefährlich?
Sie nimmt im Auftrag Erdogans und seiner Partei AKP eine Mittlerrolle in Deutschland ein. Sie organisiert die Umtriebe, die unseren Frieden und unser gesellschaftliches Miteinander gefährden. Sie bereitet den Nährboden für Erdogans Prätorianer wie die Osmanen, die längst als bewaffneter Arm Erdogans in Deutschland fungieren.
Sie fordern Maßnahmen, die von den Sicherheitsbehörden getroffen werden müssen.
Sie müssen zunächst einmal auf der politischen Ebene angeordnet werden. Und natürlich muss mehr geschehen: Die Kooperation des Landes mit der Ditib muss eingestellt werden. Das fordern in der Union ja auch Köpfe wie Justizminister Wolf und der Abgeordnete Lasotta. Grüne wie Cem Özdemir, der sich mit dem komplexen Thema auskennt, fordern das ebenfalls. Innenminister Strobl verweigert sich dem aber.
Warum?

Der Innenminister will offensichtlich keinen Streit mit den Grünen. Denn die Grünen im Land wollen weiter mit Ditib kooperieren. Strobl ist also der Koalitionsfriede wichtiger als die innere Sicherheit. Auf Bundesebene, denke ich, unterbleibt alles, was die Türkei als Kritik auffassen könnte und direkt oder indirekt den zerbrechlichen Flüchtlingsdeal mit Erdogan gefährdet.

Am kommenden Montag beginnt das Strafverfahren gegen acht Mitglieder der Osmanen. Unter ihnen die Führungsspitze . . .
. . . aber mindestens drei Personen, die dringend verdächtigt sind, diese Straftaten mit begangen zu haben, haben sich in die Türkei abgesetzt. Frei nach dem Motto, wenn es hier eng wird, schlüpfe ich wieder unter den Rock Erdogans und bin nur noch türkischer Staatsbürger. Und vergessen Sie nicht: In Stuttgart ist nicht eine einzige Straftat angeklagt, die Bezüge zur Politik oder gar zu Erdogan selbst hat. Dabei wissen deutsche Ermittler längst, dass Waffen für die Osmanen finanziert und geliefert wurden. Das steht ja in den Akten schwarz auf weiß.
Das Netzwerk aus Osmanen, UETD und Erdogan wird in Nordrhein-Westfalen so gesehen. In Baden-Württemberg hält der Innenminister es für nachvollziehbar, in Hessen verneint sein Amtskollege das Netzwerk.
Das ist schon sehr erstaunlich, dass derart unterschiedliche Bewertungen zustande kommen. Das zeigt, dass die Ermittlungen gebündelt werden müssen. Der Informationsaustausch zwischen den Bundesländern muss offen und vollständig sein. Im Hintergrund werden aber auch politische Kräfte deutlich, die eigene Ziele verfolgen.
Was meinen Sie damit genau?
Der frühere Außenminister Gabriel hat keine Gelegenheit ausgelassen, um seinem türkischen Kollegen Honig um den Bart zu schmieren. Ziel war es, den deutschen Journalisten Deniz Yücel aus seiner Haft in der Türkei zu befreien. Die Entlassung präsentierte Gabriel dann als spektakulären Erfolg – genau zu dem Zeitpunkt, als er als Außenminister zur Diskussion stand.
Was muss politisch getan werden? Ein Untersuchungsausschuss?
Auf bundespolitischer Ebene stellt sich klar die Frage nach einem Untersuchungsausschuss. Denn hier geht es ja auch um die mangelhafte Zusammenarbeit der Bundesbehörden wie des Verfassungsschutzes und des Generalbundesanwalts mit den Ländern. In Hessen drängt sich auch die Frage auf, ob das Parlament seinem Innenminister nicht in einem Untersuchungsausschuss auf die Finger schauen muss. In Baden-Württemberg setze ich auf Kritik, die politische Debatte und die Vernunft der regierenden Grünen und CDU, sich dem Thema endlich zu stellen.