Bernardo Provenzano, der „Boss der Bosse“ wurde in Italien festgenommen. Die Verhaftung galt als einer der spektakulärsten Schläge gegen die Mafia. Provenzano starb 2016 in der Haft. Foto: AP

Im Italienischunterricht ist der Kampf gegen die Mafia auch in baden-württembergischen Schulen ein Thema. In Stuttgart wird die Fortbildung für die Lehrer organisiert.

Stuttgart - Die Mafia ist überall. „Das ist keine italienische Angelegenheit mehr“, sagt Nando Della Chiesa. Vor allem Deutschland sei längst ein überaus lohnendes Ziel für die organisierte Kriminalität. Der Mann muss es wissen, er ist Professor für Soziologie an der Universität Mailand und hat sein Leben dem Kampf gegen die Mafia verschrieben. Aus diesem Grund steht Della Chiesa in Stuttgart im Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung vor einer Gruppe deutscher Lehrer und erzählt von seinen Erfahrungen aus Italien.

Die Mafia ist auch in Deutschland ein Thema

„Seit 2016 ist das Thema Mafia/Antimafia auch im Lehrplan für den Italienischunterricht an Gymnasien in Baden-Württemberg verankert“ sagt Monika Rueß, Fachleiterin Italienisch am Seminar Stuttgart. Es sei inzwischen eines der wichtigsten Arbeitsfelder im Unterricht – natürlich auch, weil es die Schüler besonders interessiere. „Aber wir unterrichten natürlich nicht nur die Geschichte der Mafia“, wirft Paolo Vetrano vom Regierungspräsidium Stuttgart ein. „Was wir mit diesem Thema leisten, ist eine Art Werteerziehung.“ In diesem Bereich könne man von Italien sehr viel lernen, sagen die beiden Pädagogen, dort sei die Sensibilisierung für das zersetzende Wirken der Mafia in der Gesellschaft seit Jahrzehnten fester Bestandteil in der Stundenplanung.

Die Mafia im Alltag bekämpfen

Nando Della Chiesa legt großen Wert darauf, dass es bei der Forschung und der Lehre in Sachen Mafia vor allem um die „Antimafia“ gehe, also den Kampf der ganzen Gesellschaft gegen das organisierte Verbrechen. Dazu brauche es eine Art Wesensänderung im Alltag, erklärt der Professor. Eine der Stärke der Mafia sei, dass sie praktisch unsichtbar sei. „Also müssen wir öffentlich über diese Form des organisierten Verbrechens sprechen und die Probleme laut und deutlich beim Namen nennen“, fordert Della Chiesa. Der Kampf gegen die Mafia sei nicht nur eine Sache der Polizei, sondern der ganzen Gesellschaft, jedes einzelnen. „Ich gehe in kein Restaurant von dem ich weiß, dass der Besitzer Kontakte zur Mafia unterhält“, sagt der Dozent.

Deutschland kann von Italien lernen

Die verbrecherischen Umtriebe der Mafia müssten ans Tageslicht gezerrt werden, fordert Della Chiesa. Diese Forderung gelte auch für Deutschland. Längst habe sich die Mafia in Berlin oder auch in Stuttgart breit gemacht. „In Deutschland werden über Immobiliengeschäfte und andere Aktivitäten Gelder gewaschen“, erklärt der Professor – und kaum jemand rede darüber. Die organisierte Kriminalität könne sich in Nordeuropa leicht ausbreiten, weil die Gesetzgebung in diesem Bereich der Realität noch weit hinterher hinke. Della Chiesa fordert, dass sich die Ermittlungsbehörden durchaus Italien als Vorbild nehmen könnten, wo seit Jahren die Gesetze im Kampf gegen die Mafia drastisch verschärft worden sind.

Die Aufgabe der Lehrer sei es, die Schüler für das Thema zu sensibilisieren, dass die Mafia auch in Deutschland ihr Unwesen treibe, sagt Fachleiterin Monika Rueß. Das sei der erste Schritt im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.