Das ist das Überbleibsel des Hasenbergturms – einst war er 36 Meter hoch. Foto: Achim Zweygarth

Der Hasenbergturm war der erste Aussichtsturm in Stuttgart, heute ist er verwaist. Die Initiative Stadtraum West will das ändern – und hat sich dazu nun mit dem Literaturhaus vernetzt.

S-West - Von dem ursprünglichen Turm ist heute nicht mehr viel übrig. Wer die Hasenbergsteige hinauffährt, dem fällt nur beim genauen Hinschauen der fünf Meter hohe gemauerte Stumpf auf. Der Verschönerungsverein hat den Hasenbergturm im Jahr 1879 gebaut, damals war er noch 36 Meter hoch. Im Zweiten Weltkrieg ließ die SS den Turm sprengen, weil sie wohl befürchtete, dass feindliche Bomber ihn als Orientierungspunkt nutzen könnten.

Eckhard Ernst und seine Frau Christine würden die Gegend rund um den Turm gerne aus seinem „Dornröschenschlaf“ erwecken. „Wir stellen uns da keinen lauten Eventraum vor, sondern etwas Leises und Zartes“, sagt Christine Ernst. Mit der Initiative Stadtraum West engagiert sich das Ehepaar schon seit einiger Zeit für den Ort, den es gerne als eine Art landschaftlichen Erholungsraum sehen würde.

Eckhard Ernst glaubt, dass dort im Moment viel Potenzial brachliegt. Der Hasenbergturm sei gleichermaßen „Tor in den Wald und Tor in die Stadt“. Aus dem Ort etwas zu schaffen, sei nicht nur für den Westen von Bedeutung, sondern für die ganze Stadt, sagt er. Vor Kurzem hat er schon mit Bezirksbeiräten und anderen Interessierten eine Ortsbegehung anberaumt. Seine Idee: den Hasenbergturm zu einer Spielstätte für ruhige Veranstaltungen wie Lesungen oder Konzerte mit Bezug zu Wald und Natur zu etablieren.

Deshalb hat sich seine Initiative mit dem Literaturhaus zusammengetan. „Frischluft! Hölderlin am Hasenbergturm“ heißt die Veranstaltung, die Stefanie Stegmann im Juli 2020 bei dem Turm im Westen plant. Im Jahr 2020 feiert das Land Baden-Württemberg den 250. Geburtstag des bedeutenden deutschen Dichters. Friedrich Hölderlin hat den Großteil seines Lebens im Schwäbischen verbracht – in Tübingen, Nürtingen und in Lauffen am Neckar. Das Literaturhaus beteiligt sich mit einem literarischen Abend an dem Jubiläum.

Für die Leiterin des Literaturhauses „korrespondiert“ die Wahl des Ortes „funkenschlagend mit dem Programm und Titel“. So öffne die lange Nacht „Tür und Himmel für breite und altersgemischte Publikumskreise, öffnet die Formate hin zu performativen Elementen, verschränkt zeitgenössische mit historischen Texten, verbindet Text und Ton und wagt den Schritt hinaus aus dem Literaturhaus hin zu einem bezaubernden Open-Air-Spielort im Wald“, heißt es in dem Konzept. Bereits zugesagt habe, so Stegmann, der Schriftsteller, Drehbuchautor und Hochschulprofessor Hanns-Josef Ortheil. Er werde über sein Hölderlin-Buch sprechen.

Auch der Schauspieler, Musiker und Sänger Robert Stadlober hat seine Teilnahme bereits zugesichert. Er plant eine „Hyperion Roadshow“, ein eigens komponiertes Programm in Anlehnung an Hölderlins vor 220 Jahren veröffentlichten lyrischen Briefroman über den Protagonisten Hyperion. Dieser lebte am Ende seines Lebens als Eremit in Griechenland und fand in der Einsamkeit der Natur zu sich selbst.

Der Abend an der „Frischluft“ soll, so Stegmann, „lyrisch, performativ und musikalisch verführen“. Bewusst wolle man weg von einer akademischen Umgebung wie zum Beispiel dem Literaturhaus, um auch junge Menschen zu locken und sie abseits des Deutschunterrichts mit dem Dichter bekannt zu machen.

Für Eckhard Ernst ist das ein erster Schritt, um den Ort in Erinnerung zu rufen. Ernst wohnt seit seinem Studium in den 1970ern im Westen. Er engagiert sich seit Jahren für den Bezirk, will seine Lebendigkeit und Vielfalt erhalten. Und deshalb hat der freie Architekt mit einigen Mitstreitern im Jahr 2012 die Initiative Stadtraum West gegründet. Sein Augenmerk liegt dabei immer auch auf der Verschönerung öffentlicher Orte, er organisiert die „Platzgespräche“, bei denen sich Westler über anstehende kommunalpolitische Projekte austauschen können wie Verkehr, Bauprojekte oder Barrierefreiheit. Seine Frau Christine unterstützt ihn: „Ich mache halt alles mit, was ihm so einfällt“, sagt sie schmunzelnd.

Der Hasenbergturm ist derzeit eines seiner größeren Projekte. Inzwischen befassen sich immerhin auch schon Studenten der Stadtplanung von der Hochschule Nürtingen-Geislingen unter der Leitung der Professorin Cornelia Bott mit dem Wahrzeichen. Ihre Aufgabe ist es, „Grünräume in der Stadt als Erholungsräume wiederzuentdecken und zu beleben“. Ihr Beispiel ist der Hasenbergturm.