Internethändler verkaufen viel, aber nicht alle zahlen ihre Steuern. Foto: dpa

Etwa 60 Millionen Euro pro Jahr entgehen dem Land, weil viele Anbieter keine Steuern bezahlen. Das soll sich bald ändern.

Stuttgart - Der Druck wirkt offenbar: Vor einem Jahr seien erst 432 der weit über 5000 Online-Händler aus China beim zuständigen Finanzamt Neukölln registriert gewesen, inzwischen seien es 1537, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Donnerstag im Stuttgarter Landtag. Bei der Finanzministerkonferenz Ende Mai haben sie und ihre Kollegen den Weg für eine Haftungsregelung frei gemacht. Damit soll verhindert werden, dass Online-Händler die Umsatzsteuer unterschlagen. „Viele dieser Händler sind in Deutschland steuerlich nicht registriert, berechnen und zahlen keine Mehrwertsteuer, oder sie berechnen die Mehrwertsteuer dem Kunden, führen sie aber nicht an das Finanzamt ab, sondern streichen sie als Extraprofit selbst ein“, so Sitzmann.

Künftig müssen die Betreiber von Internetplattformen wie Ebay, Amazon oder Alibaba sicherstellen, dass alle gewerblichen Händler steuerlich registriert sind, die über sie Waren in Deutschland verkaufen wollen. Andernfalls werden die Betreiber selbst haftbar gemacht und müssen für Steuerausfälle aufkommen. Zu Beginn nächsten Jahres soll das neue Gesetz in Kraft treten, das auf Initiative von Finanzministerin Sitzmann und ihrem hessischen Kollegen auf den Weg gebracht worden ist.

Einzelhandel unter Druck

Die schärferen Regeln finden auch große Zustimmung im Landtag. „Es ist niemandem zu vermitteln, dass ehrliche Einzelhändler auf Waren sitzen bleiben, die betrügerische Konkurrenten steuerfrei auf Straßen ausliefern, welche die ehrlichen mit ihren Steuern bezahlt haben“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Thekla Walker.

Weil Online-Händler vor allem aus Asien die Umsatzsteuer nicht ordnungsgemäß abführen, entgehen dem Land Steuereinnahmen von schätzungsweise 60 Millionen Euro pro Jahr. Bundesweit geht es um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Tobias Wald, finanzpolitischer Sprecher der CDU, erklärte, die neue Regelung sei wichtig, um den örtlichen Einzelhandel zu stärken. Eine Studie der Industrie- und Handelskammer belege, dass kleinere Geschäfte zunehmend größeren Zentren und dem Online-Handel weichen müssten. 2017 wurden in Deutschland Waren im Wert von 60 Milliarden Euro über das Internet gekauft, elf Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Parteien fordern gleiche Regeln

„Der ehrliche Händler zahlt seine Miete in der Innenstadtlage. Wer hingegen ein Shoppingcenter am Rand der Stadt führt, wer Teil einer Kette ist, der kann seine Gewinne schönrechnen, indem er Patentabgaben geltend macht und damit keine oder weniger Steuern bezahlt“, kritisierte der SPD-Finanzexperte Peter Hofelich. Sein FDP-Kollege Erik Schweickert forderte gleiche Rahmenbedingungen für den Einzel- und den Online-Handel. Mancherorts würden große Logistikdienstleister wie Amazon finanziell bevorzugt.

Auch die Europäische Union arbeitet an einer einheitlichen Regelung, um Mehrwertsteuerbetrug im Online-Handel zu unterbinden. Von 2021 an müssen die Betreiber von Online-Plattformen selbst die Umsatzsteuer an die Finanzämter weiterleiten. Die AfD-Abgeordnete Carola Wolle verlangte, weitere Steuerschlupflöcher zu schließen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Unternehmen wie Starbucks in 150 Filialen hierzulande Kaffee verkaufe, „durch legale Nutzung innereuropäischer Steuertricks“ jedoch keine Steuern in Deutschland bezahle.