Foto:  

In den Bergen von ­Sotschi steigen die ­Temperaturen, was ­verschiedenartige ­Auswirkungen hat.

Sotschi - Eigentlich war ja nicht viel passiert, als es diesen kleinen, dumpfen Schlag getan hat am Mittwochmittag auf der Fahrt von Rosa Khutor  nach Krasnaja Poljana. Im Shuttlebus war der Hammer, der im Notfall zum Einschlagen der Scheiben dienen soll, nach unten gefallen. Wie gesagt: Nichts Weltbewegendes. Doch dann fing der Kollege aus Liechtenstein an zu singen.

Sichtlich animiert trällerte er: „Und dann hau‘ ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein, mein Sparschwein – kaputt.“ Der Schweizer Kollege schaute etwas verwirrt, dann fragte er: „Ist das ein Liechtensteiner Volkslied.“ Der Sänger: „Na, ä düüütsches.“ Dann sang er weiter. Und wir haben gehofft, dass diese Busfahrt bald enden möge. Allerdings nicht nur wegen unseres Musikanten.

Mittlerweile nämlich müssen wir uns auch eine Fehleinschätzung eingestehen. Zu Beginn unseres Aufenthalts in den Bergen des Kaukasus haben wir mal erzählt, es sei hier ganz normaler Winter, also auch kalt. Doch das stimmt nicht. Es stimmt nicht mehr. Denn jetzt ist es warm. Oder besser: Heiß. Und das hat doch gravierende Auswirkungen.

Zum Beispiel auf die Kleiderordnung. Wir müssen mittlerweile nämlich einsehen, dass der tägliche Einsatz einer langen Unterhose zwar ehrenwert, aber fast sinnfrei ist. Viel wichtiger dagegen ist die Wirkweise des Deodorants. Und auch die örtlichen Militärkräfte sind von der Hitzewelle betroffen. Die haben in und um Sotschi, also auch in den Bergen den Auftrag, die Spiele zu sichern. Weil sie dabei nicht jedem sofort ins Auge stechen wollen, haben sie sich auf eine Weise getarnt – nach dem Vorbild eines Eisbärs. Der ist weiß, der Schnee ist weiß, er fällt nicht auf. In den hiesigen Bergen gilt nun: Die Militärs sind weiß, die Umgebung ist braun – was das bedeutet, kann sie jeder denken. Sie fallen halt auf. So wie diese orangefarbenen Lkw.

Die tragen vor sich eine riesengroße Schneeschaufel, dürften sich derzeit aber wohl fühlen wie der oben beschriebene Eisbär in der Sahara. Irgendwie fehl am Platz. Trotzdem sei gesagt: Wir sind über beide recht froh. Vor allem natürlich über diejenigen, die dafür sorgen, dass wir uns hier sicher fühlen können. Dafür nehmen wir auch gern in Kauf, dass wir uns mittlerweile fühlen, als würden wir auf einem Kassenband im Supermarkt leben. Wir werden halt ständig gescannt, das Preisschild in Form einer Akkreditierung baumelt um unseren Hals, und wir versuchen jedes Mal, uns so teuer wie möglich zu verkaufen. Das ist wichtig. Man weiß schließlich nie, wo man hier hineingerät.

Ein weiterer Kollege zum Beispiel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Aktivitäten auf einem Platz zu dokumentieren, der als eine Art Showbühne dienen soll. Dort ist nicht sonderlich viel los, die Szenerie erinnert ein wenig an das VfB-Training in Länderspielwochen, wenn mehr Betreuer als Spieler auf dem Platz stehen. Hier sind meist die Animateure in der Mehrzahl gegenüber den Olympiabesuchern.

Der Kollege, der sein Smartphone für Filmaufnahmen nutze, wurde also beinahe zum Opfer. Die professionellen Stimmungsmacher riefen: „Dancing, Dancing.“ Er antwortete verschreckt: „Working, working.“ Er musste arbeiten, hatte keine Zeit zum Tanzen. Das war schade.

Aber vielleicht schicken wir ja mal den Kollegen aus Liechtenstein vorbei.