Der Judoka Ole Bischof holt Gold in Peking 2008 und Silber in London 2012. Foto: ANP

Der Judo-Olympiasieger Ole Bischof ist ehrenamtlich als Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) tätig und spricht über sportliche Ideale, Dopingbetrug und die Chancen des deutschen Teams.

Stuttgart -

Herr Bischof, welche Werte verbinden Sie mit Olympischen Spielen?
Freude, Jugend, Motivation, gegenseitiger Respekt. Und vor allem Mut.
Mut?
Ja. Es braucht Mut, sich dem Wettbewerb zu stellen. Natürlich in einer Zweikampfsportart wie Judo, aber auch in der Leichtathletik, im Schwimmen oder Hockey. Wer das Risiko einer Niederlage nicht eingehen möchte, meidet lieber den Wettbewerb.
Kommerz, Gigantismus, Doping – das Internationale Olympische Komitee hält bei vielen Problemen den Schwarzen Peter. Sehen Sie einen Werteverfall?
Einige Werte verfallen, einige Werte wandeln sich, neue Werte entstehen. Das IOC sitzt in der Weltgemeinschaft als Schirmherr über die olympische Bewegung an einem neuralgischen Punkt. Der Sport ist medial sichtbar, hat eine hohe politische Symbolkraft. Wer die Aufgabe hat, die Werte von Demokraten und Diktatoren, Ost und West, Jung und Alt zusammenzuführen, landet fast zwangsläufig im Kreuzfeuer. Es gibt leichtere Jobs.
Welche Wertung würden Sie dem IOC vor dem Auftakt von Rio geben?
Es läuft bei weitem nicht alles gut. Es ist richtig, dass die Presse so intensiv über Missstände berichtet. Das hilft übrigens auch den Sport-Organisationen bei internen Veränderungen. Wir dürfen jedoch bei alldem nicht die lieblichen Seiten des Sports aus den Augen verlieren. Die von mir aufgezählten Werte haben Bestand. Leistungssport verlangt nicht nur einseitig Mut, er stiftet diesen auch wieder in Form von Freude und Motivation. Und er gibt nicht zuletzt unserer jungen Generation Hoffnung, dass sich eigene Anstrengung im Leben lohnt. Wir sollten alle daran arbeiten, diese wichtige Funktion zu bewahren und zu beschützen.
Kann es eine Wertegemeinschaft im Zeichen der Ringe noch geben, wenn ein Mitglied der viel beschworenen Familie ein staatlich gesteuertes Dopingsystem installiert?
Das ist der springende Punkt. Wieso sollte man eine Nation am Wettbewerb teilnehmen lassen, wenn sie beim letzten Mal mit falschen Karten gespielt hat? Über die moralischen Verfehlungen in Russland bin ich tief enttäuscht. Ein staatliches Betrugssystem darf nicht geduldet werden.
Waren Sie für den kompletten Ausschluss?
Aus meiner Sicht kam eine Kollektivstrafe durch das IOC für alle russischen Sportler durchaus in Betracht. Nun haben jedoch nicht alle Russen, also wirklich alle, manipuliert. Und juristisch ist Sippenhaft mehr als fragwürdig. Das IOC hat in seiner Entscheidung den schwarzen Peter an die einzelnen Sportfachverbände weitergereicht.
Viele Athleten haben die IOC-Entscheidung, nicht alle Russen für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zu sperren, stark kritisiert.
Das kann ich verstehen. Es lag an den internationalen Fachverbänden, konsequent zu prüfen und entsprechend zu entscheiden. Mittelfristig würde ich mir wünschen, dass mehr deutsche ehemalige Athleten in solche Gremien aufrücken.
Um was zu tun?
Selbst aktiv mitentscheiden. Es ist eben eines, zu kritisieren. Und etwas anderes, selbst an Lösungen mitzuwirken. Ich selbst engagiere mich ehrenamtlich im Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes und kann so dem Sport etwas zurückgeben. Twitter-Kommentare sind wichtig, reichen aber nicht aus, um den Sport in den richtigen Bahnen zu halten.