Einzelgold und Mannschaftssilber – Michael Jung bringt gleich zwei Medaillen aus Rio mit nach Hause an den Neckar. Foto: AAP

Olympiasieger Michael Jung lebt in dem 1700-Seelen-Ort, seit er ein Junge ist. Wie Horb-Altheim jetzt seiner Rückkehr entgegen fiebert.

Horb/Neckar - Seit Dienstagabend ist Wolfgang Söll aus Horb-Altheim ein extrem beschäftigter Mann. Michael Jung ist ein langjähriger Bekannter und Reitergenosse Sölls – und hat am Dienstagabend in Rio gleich zwei Medaillen bei Olympia erkämpft. Jetzt setzt Söll alles daran, dass dieser Erfolg zu Hause in Altheim auch gebührend gewürdigt wird. Am Mittwochnachmittag ist Söll gerade auf dem Sprung, „das Plakat abholen“, mit dem er Jung bei seiner Heimkehr begrüßen möchte. „Die Reitschule Jung kann eigentlich nur von einem Weg aus angefahren werden“, sagt Söll, „da fahr ich jetzt mal raus, und checke die Lage, was schon aufgehängt wurde.“ Dazu wolle er dann seinen „eigenen kleinen Teil“ beitragen, sagt Söll. Wann genau Michael Jung heimkehrt, muss er auch noch herausfinden – um dann das gesamte Dorf zu mobilisieren.

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2012 wurde schon mächtig vorgelegt: Etwa 200 Menschen, schätzt Söll, hatten Michael Jung bei seiner Heimkehr von den Olympischen Spielen in London auf dem Reiterhof erwartet.Der 55-Jährige geht davon aus, dass es dieses Mal mindestens genau so viele werden. „Das spricht sich auf den sozialen Medien schnell rum“, meint er.

Horb und Altheim – beide reklamieren Michael Jung für sich

Söll organisiert mit Leidenschaft: Zusammen mit seiner Frau, beide sind langjährige Reiter, sieht Söll sich als „Bindeglied zwischen Reitsport und Dorf“. Weil das Ehepaar in Horb-Altheim zum Inventar gehört und auch eine Physiotherapiepraxis betreibt, kennen sie viele der etwa 1700 Einwohner. „Ich will die Begeisterung ins Dorf transportieren und auch die mit ins Boot holen, die dem Reitsport nicht verbunden sind“, sagt Söll. Offiziell ist Altheim ein Stadtteil von Horb. Geht es um die Frage, wo der Olympiasieger Jung herkommt, legen eingefleischte Altheimer Wert auf ihre Eigenständigkeit: „Die Horber reklamieren ihn immer ein bisschen für sich. Aber die Altheimer sagen dann: Nee, wir sind keine Horber“, sagt Söll.

Der Mann ist über die Jahre hinweg offenbar zum Anführer des lokalen Jung-Fanclubs geworden: Startete Jung beim Reitturnier German Masters in Stuttgart, organisierte Söll Busse, um die Leute aus dem Dorf in die Schleyerhalle zu bringen. Und am Dienstagabend räumten seine Gattin Barbara Scherrmann und er schlicht den größten Gymnastikraum in ihrer Physiotherapie-Praxis leer, damit dort etwa 30 Menschen aus dem Dorf mit Michael Jung und dem deutschen Team mitfiebern konnten. In der Pause wurden gebackene Hufeisen gereicht.

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„Ich weiß, dass der Michi gern vorneweg reitet“, sagt Söll. Andere würden nervös, wenn sie als erster dran seien. Nicht Michael Jung, der möge es, „wenn er weiß: er hat es selbst in der Hand.“ Patienten, Freunde und die Daheimgebliebenen aus Jungs Stall seien dabei gewesen. Als klar war, dass Jung wieder Gold geholt hat, „haben wir uns gefreut ohne Ende“, sagt Söll.

Das vorläufige Programm für das Bürgerfest mit Jung

Er ist nicht der Einzige, der für Jungs Rückkehr nach Horb derzeit Pläne austüftelt. Die Stadt Horb lädt am Samstagabend zu einem Bürgerfest mit Jung ein – anders als 2012 soll der Empfang dieses Mal in Altheim selbst, nicht in Horb, stattfinden. Besser so, findet Wolfgang Söll. Der Referent des Horber Oberbürgermeisters Peter Rosenberger verrät das vorläufige Programm für das Fest: Im Cabrio soll Jung eine kurze Spazierfahrt durch Altheim machen, Reiter der lokalen Reitvereine werden Spalier stehen, dann empfängt ihn der Oberbürgermeister, gefolgt von Reden, Grußworten und „gemütlichem Beisammensein“. „Da wird es dann sicher auch die Gelegenheit geben, mit Michael Jung ins Gespräch zu kommen“, sagt der Referent. Auf Jungs Wunsch hin halte die Stadt das Fest dieses Mal etwas kleiner als 2012. Damals kam der Olympiasieger mit einer Kutsche angefahren, am Ende gab es ein Feuerwerk.

Möhren für Sam

„Stolz, dass sowohl Pferd als auch Reiter Württemberger sind“, ist auch Gotthilf Riexinger, der seit über 20 Jahren das Stuttgarter Reitturnier German Masters organisiert. „Jung ist unser Botschafter für dieses Event“, sagt Riexinger. „Da ist es doppelt schön, wenn man erneut einen Olympiasieger präsentieren kann.“ Jung werde bei dem Turnier, das vom 16. bis zum 20. November in der Schleyerhalle stattfindet, beim beliebten Indoor Crosscountry und voraussichtlich auch in mehreren Springprüfungen antreten, sagt Riexinger.

Hat sich bei all dem Trubel eigentlich auch jemand eine Überraschung für den zweiten Württemberger Sieger, Jungs 16-jähriges Pferd Sam, ausgedacht? Das Hashtag „twohearts“ – zwei Herzen – nutzen Jung und andere Turnierreiter in den sozialen Medien, um zu unterstreichen: Zum Erfolg gehören beim Reiten immer zwei. Wolfgang Söll befürchtet allerdings, dass Sam erst einige Tage nach Michael Jung aus Rio zurück in Altheim eintreffen könnte. Pferde können nicht einfach ins Flugzeug steigen. Ihr Transport ist etwas aufwendiger. Doch auch wenn Sam noch nicht mit dabei sein sollte, wenn das Dorf Michael Jung auf seinem Hof bejubelt: „Ich werde trotzdem ein paar Möhren mitbringen“, sagt Söll. Die schmecken schließlich auch zwei, drei Tage später noch.