Ende des Terrorprozesses: Ein Syrer muss ins Gefängnis. Foto: dpa

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat einen Syrer zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in seiner Heimat gegen den sogenannten Islamischen Staat gekämpft hat. Der Mann versteht die Welt nicht mehr.

Stuttgart - Der Mann auf der Anklagebank ist von seinem Verteidiger Daniel Wolff auf dieses Urteil vorbereitet worden. Trotzdem blickt der 25-Jährige ungläubig. Er scheint nicht zu verstehen, was Hartmut Schnelle, Vorsitzender Richter des 3. Strafsenats des OLG Stuttgart, vorträgt.

Der Angeklagte sei der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig, so der Senatsvorsitzende. Und er habe gegen das Kriegswaffengesetz verstoßen, weil er ohne Erlaubnis ein Schnellfeuergewehr geführt habe – in Syrien, im Bürgerkrieg, im Kampf gegen den verbrecherischen Islamischen Staat (IS).

In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte, der als Flüchtling zuletzt in Rutesheim im Kreis Böblingen gewohnt hatte, beteuert: „Ich bin unschuldig, ich habe mich nur verteidigt.“ Er habe doch, so der Mann, gegen den IS gekämpft – so wie die ganze freie Welt, so wie die Allianz unter der Führung der USA.

Er sagt, er sei zum Kampf gezwungen worden

Diese Sichtweise entspreche nicht den Anschauungen des deutschen Rechtssystems, so Richter Schnelle. Denn der Mann hatte am Ende für die Miliz Jabhat al-Nusra gekämpft. „Der Kampf einer terroristischen Vereinigung ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass er sich gegen eine andere terroristische Vereinigung richtet", sagt der Richter. Die Jabhat al-Nusra sei seit ihrer Gründung für mehr als 1000 Anschläge und Selbstmordattentate in Syrien mit mehr als 8000 Toten verantwortlich.

Anfang 2013 hatte sich der heute 25-Jährige in seiner Heimatprovinz Deir ez-Zor der Kampfeinheit Märtyrer von Hajin angeschlossen. Diese Gruppe wollte ursprünglich nur den Ort Hajin vor Plünderungen schützen. Später habe sich die Gruppierung allerdings der Al-Nusra-Front angeschlossen.

Dem Angeklagten sei dabei klar gewesen, dass Al-Nusra nicht nur gegen den IS, sondern auch für ihr eigenes Ziel eines Gottesstaates kämpfe – und dafür foltere, entführe, erpresse und töte, so Richter Schnelle. Der 25-Jährige habe Kampfeinsätze und Wachdienste absolviert. Das habe er freiwillig getan. Der Angeklagte hatte dagegen gesagt, er sei gezwungen worden. Dies sei jedoch durch Zeugenaussagen widerlegt, so der Senat.

Hungerstreik im Gefängnis

Im September 2015 war der Syrer nach Deutschland geflüchtet und in einer Flüchtlingsunterkunft im Kreis Böblingen gelandet. Dort hatte er sich gut integriert, Freunde gefunden, Sport getrieben, allerdings auch zwei Ladendiebstähle begangen.

Am 19. September 2016 wurde er festgenommen. Er hatte im Zug zwischen Görlitz und Dresden eine Plastikschachtel verloren. Darin wurden auf einer Speicherkarte unter anderem Fotos von ihm gefunden, die ihn als Al-Nusra-Kämpfer zeigen. In der Haft trat der Mann in einen Hungerstreik, was den Prozessauftakt verzögerte. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass er islamistisches Gedankengut hegt“, sagt sein Verteidiger Daniel Wolff. Er bezweifelt, dass sein Mandant das Urteil – drei Jahre Gefängnis – versteht.