Buntes Schauspiel über der Innenstadt: Der November beginnt so, wie der Oktober gewesen ist – regnerisch. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Wetter war zu nass und bringt Stuttgart ein Stück weit meteorologische Normalität. Und so soll es auch weitergehen.

Stuttgart - Normal ist oft das Synonym für langweilig. Wer will zum Beispiel schon eine Curry normal? Eben. Was taugt, sollte schon spezial sein, zumindest groß (Grasfangsack beim Rasenmäher), besser XXL (2,4 Kilo eines handelsüblichen Tomatenketchups) oder mega (Burger mit zehn Beef-Patties). Beim Wetter ist das oft nicht anders – normal ist gähn, man hätte dann doch lieber Rekordhitze oder -dürre, Sturmböen oder Starkregen, sonst geht einem ja beim Warten an der Supermarktkasse oder bei einem wie auch immer gearteten Erstkontakt schnell der Gesprächsstoff aus.

Schon jetzt mehr Regen als 2018

Aber – und jetzt kommt es – normal kann auch ganz schön spannend sein. Natürlich auch beim Wetter und ganz speziell in diesem Jahr in Stuttgart. Und das gilt vor allem für den Regen. 59,8 Liter auf den Quadratmeter wurden in Stuttgart im Oktober gemessen, das sind stolze 147,3 Prozent des langjährigen Mittels (40,6 Liter) Damit ist der zweite Herbstmonat statistisch zwar zu nass, betrachtet man aber das gesamte Jahr, bewegt sich 2019 in puncto Niederschlag auf einem fast normalen Niveau. Aktuell ist es sogar eine klein wenig feuchter als der Mittelwert der Referenzjahre 1961 bis 1990. Normale Regenmengen sind aber mittlerweile außergewöhnlich in Stuttgart. Von den vergangenen vier Jahren waren außer 2016 alle deutlich zu trocken. 2018 fielen im ganzen Jahr 522 Liter pro Quadratmeter, 2019 sind es jetzt schon gut 50 Liter mehr und wenn der Stadt bis Silvester nicht der Himmel auf den Kopf fällt, könnte es ein normales Jahr werden, was den Regen betrifft.

26,8 Grad am 13. Oktober

„Bisher haben wir 2019 Regenmengen knapp über dem Durchschnitt“, sagt dazu Uwe Schickedanz. Der Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD) ergänzt: „Aber die großen Defizite der vergangenen Jahre sind noch lange nicht kompensiert.“ Trotzdem sei der Herbstregen „wunderbar für die Natur“. Wohl wahr, die Bäume haben keinen Trockenstress, wobei das allerdings bei weitem nicht im ganzen Land gilt. Stuttgart hat mit den aktuellen Regenmengen den Trockentrend unterbrochen, eine andere Wetterveränderung bleibt aber bestehen. Auch der vergangene Oktober war wieder deutlich zu warm. Mit 12,5 Grad im Schnitt wurden exakt 2,5 Grad über dem langjährigen Durchschnitt gemessen. Als Hinweis auf den Klimawandel kann man zudem werten, dass es für die Wärme noch nicht einmal besonders viel goldenen Oktober brauchte. Die Sonne schien zehn Stunden weniger als in einem durchschnittlichen Oktober. Wenn aber heutzutage im Herbst der Wind auf Südwest dreht, wird es heiß im Städtle. Am 13. Oktober zeigte das Thermometer an der DWD-Wetterstation am Schnarrenberg 26,8 Grad an. Freibadwetter mitten im Herbst. Getoppt wurde der Wert allerdings bereits 1985, als man noch nicht vom Klimawandel sprach. Damals wurden am 4. Oktober in Stuttgart 29,7 Grad gemessen.

Frühwinterliches Intermezzo möglich

Jetzt also der November, der normalerweise als Saukerl der Monate verschrien ist. Und der sich bisher auch alle Mühe gibt und einen Mix aus Depri-Wetter und einzelnen Sonnensprengseln in die Stadt schickt. Und das soll auch absehbar so bleiben. 2018 gab es im gesamten November 15 Liter Regen, jetzt an den ersten vier Tagen immerhin schon knapp elf Liter. Und aktuell jagt ein Tief das nächste und versorgt die Natur durch Schauerwetter mit Wasser und die Menschen mit Frust, weil es dann nach einigen windigen Regentagen doch vielen egal ist, ob sich die Eichen oder Buchen freuen. Tröstlich ist aber, dass das feuchte Herbstwetter den Feinstaub frisst, wie ein Föhnsturm den Schnee. Saubere Luft macht der Regen also auch noch, zumindest für die Menschen entlang der Verkehrsachsen.

Freunde von Wetterrekorden haben indes in den kommenden Tagen keinen Spaß. Die Prognosen gehen von einem feucht-kühlen Wetter aus, das für diese Jahreszeit völlig normal ist. Nach dem 12. November könnte es sogar zu einem einem frühwinterlichen Intermezzo kommen, das wäre allerdings auch nicht ungewöhnlich, wobei eine Prognose darüber ungefähr so viel Verlässlichkeit bietet wie das Nennen eines Datums für den Brexit.