Der als „Rinderflüsterer“ bekannt gewordene Landwirt Hermann Maier weigert sich aus Tierschutzgründen seit Jahren, seinen 270 Rindern die Ohrmarken einzustechen und immer wieder zu ersetzen. Stattdessen spritzt er ihnen den Mikrochip einmalig unter die Haut. Foto: Krause

Ein Landwirt aus Balingen könnte zum Paradebeispiel werden, ob die EU flexibel ist. Denn in den so genannten Ohrmarkenstreit um die Kennzeichnung von Rindern kommt Bewegung.

Stuttgart/Brüssel - In den Streit, ob Rinder künftig noch - wie von der EU bisher vorgeschrieben - zwingend mit Marken an beiden Ohren gekennzeichnet werden müssen oder den Tieren stattdessen künftig ein Chip neben dem Schwanz eingesetzt werden darf, kommt Bewegung. Nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten gibt es einen Vorschlag der Europäischen Kommission aus Brüssel, beide Verfahren für die Registrierung der Tiere zuzulassen. „Die derzeitigen Rechtsvorschriften zur Kennzeichnung von Rindern entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Bei Verwendung elektronischer Kennzeichnungsmittel ließen sich der Verwaltungs- und Papieraufwand reduzieren“, zitiert das Blatt aus dem Papier der Europäischen Kommission an das europäische Parlament und den Rat.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Streit von Hermann Maier, Landwirt aus Balingen (Zollernalbkreis), mit den Behörden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Der als „Rinderflüsterer“ bekannt gewordene Landwirt weigert sich aus Tierschutzgründen seit Jahren, seinen 270 Rindern die Ohrmarken einzustechen und immer wieder zu ersetzen, stattdessen spritzt er ihnen den Mikrochip einmalig unter die Haut. Die Behörden wollen dies nicht länger hinnehmen, pochen auf die Einhaltung der EU-Verordnung 1760 und haben ihm eine letzte Frist zum Einlenken bis zum 19. August gesetzt. Ob die grün-rote Landesregierung dann Zwangsmaßnahmen gegen den Landwirt einleitet, ist derzeit unklar.

Rinderflüsterer könnte bundesweit Schule machen

Der für den Fall zuständige Regierungspräsident von Tübingen, Hermann Strampfer, setzt angesichts des EU-Papiers aus Brüssel auf eine politische Lösung des Themas durch die Bundesregierung. „Wenn die EU in Brüssel selbst feststellt, dass das Chip-System sogar besser ist als die Kennzeichnung der Tiere mit Ohrmarken, frage ich mich, warum dies nicht anerkannt wird“, sagte Strampfer den Stuttgarter Nachrichten und kündigte entsprechende Schritte an: „Ich werde den Kompromissvorschlag der EU-Kommission zum Anlass nehmen, mit dem Landwirtschaftsministerium in Stuttgart zu sprechen, ob eine politische Initiative nicht der richtige Weg wäre, das Problem zu lösen.“ Strampfer räumte ein, dass das Thema „eine immer größere politische Bedeutung“ erhalte, zumal der Fall des Rinderflüsterers von Balingen bundesweit Schule machen könnte.

Die Kennzeichnung der Rinder war im Zuge der BSE-Krise eingeführt worden, um eine rasche Rückverfolgung von Tieren bei Erkrankungen und Seuchen sicherzustellen. Sowohl bei der Kennzeichnung mit Ohrmarken als auch bei der Variante mit Mikrochips muss der landwirtschaftliche Betrieb das Tier mit Nummer und Rinderpass registriert haben.