Matthias Völlm in seinem Betrieb in Münchingen: Die Backwaren der Oelmühle stellt der 62-Jährige jeden Tag mit Handarbeit in der Backstube her. Foto: factum/Bach

Die Oelmühle in Korntal-Münchingen setzt auf Bio-Produkte – die Backwaren kommen täglich frisch aus der Backstube. Doch der Markt ist hart umkämpft. Daraus zieht der Familienbetrieb nun Konsequenzen.

Korntal-Münchingen - Matthias Völlm leitet seit mehr als 20 Jahren die Oelmühle in Münchingen. Im Interview spricht der 62-Jährige über die Zukunft des Betriebs, das Kaufverhalten der Bürger und Herausforderungen bei der Eigenwerbung.

Herr Völlm, im sozialen Netzwerk Facebook kursierten die wildesten Gerüchte über die Zukunft der Oelmühle. Es hieß sogar, Sie hörten bald auf. Was stimmt?
Aus Altersgründen suchen wir für unser Geschäft einen Nachfolger. Ursprünglich wollten zwei unserer fünf Kinder den Betrieb übernehmen und ihn zukunftsfähig machen, sie haben ja mehr als zehn Jahre mitgearbeitet. Doch inzwischen haben sie andere Wege eingeschlagen. Unsere Tochter lebt in der Schweiz, unser Sohn macht eine Ausbildung zum Polizist, seine zweite Leidenschaft neben der Arbeit als Bäcker. Seitdem wir das wissen, sind wir in einer Börse der Handwerkskammer gemeldet.
Bislang ohne Erfolg.
Unsere Bäckerei erfordert einen hohen Einsatz und viel Knowhow. Zum einen verzichten wir auf jegliche Mehlbehandlungsmittel und künstliche Zusatzstoffe – die die Arbeit des Bäckers erleichtern; wir wiegen alles von Hand ab, arbeiten von Hand auf, schießen die Backwaren von Hand ein – eben echte Handarbeit, so wie früher. Wir stellen den Vanillepudding und die Nussfüllung selbst her und waschen und kochen die Kartoffeln für unser Kartoffelbrot. Wir suchen also jemanden, der mit Leidenschaft alternativ handwerklich arbeitet. Den gibt es sicher, doch bis jetzt haben wir ihn noch nicht gefunden. Allerdings haben wir die Suche auch nicht groß publik gemacht.
Die anspruchsvolle Tätigkeit führt dazu, dass sich im September die Lage verschärft.
In der Backstube arbeite ich derzeit mit einem weiteren Bäcker. Er fängt aus gesundheitlichen Gründen im September in einer anderen Bäckerei an. Meine Frau und ich haben beschlossen, dass wir keinen Bäcker mehr einstellen, sondern unsere Arbeitszeit und unser Angebot reduzieren. Wir haben daher von Sommer an wieder eingeschränkte Öffnungszeiten und ein eingeschränktes Angebot an Backwaren und Naturkost. Damals bauten wir der Nachfrage entsprechend unseren Laden auf, jetzt bauen wir ihn unseren Kräften entsprechend zurück.
Was meinen Sie damit?
Als ich vor 30 Jahren in den Betrieb meiner Eltern eingestiegen bin, haben wir begonnen, Naturkost zu verkaufen. Damals fragten uns viele Leute, ob wir nicht auch Bioware anbieten können. Zu jener Zeit hatten die Supermärkte noch keine Bio-Produkte, nur der Drogerieladen hier hatten eine Ecke damit eingerichtet. So hat es angefangen. 1996 habe ich das Geschäft übernommen und mit der Bäckerei begonnen, 2005 bauten wir unser Naturkost-Sortiment mit Obst, Gemüse und Käse weiter aus, vergrößerten den Laden und verlängerten die Öffnungszeiten. Heute gibt es große Bio-Läden, und auch Supermärkte, Discounter und Drogerien bieten Unmengen Bio-Produkte an. Mit den kleinen Naturkostläden passiert im Prinzip das, was in den 1960ern mit den Tante-Emma-Läden geschehen ist – sie sterben aus. Die Konkurrenz hat uns unser Alleinstellungsmerkmal genommen.
Aber viele Menschen kaufen Bio-Produkte doch wie verrückt?
Ja, aber dazu gehen sie verstärkt in die großen Läden mit mehr Auswahl und günstigeren Preisen. Zu uns kommen die Leute vor allem wegen der Backwaren und nehmen dabei auch Naturkost mit. Andere kaufen bei uns, wenn sie etwas vergessen haben oder etwas Spezielles bestellt haben wollen, was die Konkurrenz nicht hat. Ganze Einkaufswägen füllen die Kunden – leider – woanders. Die Bäckerei läuft sehr gut, doch die Naturkost ist für uns ein Auslaufmodell. Dennoch: Wir haben immer noch einen Stamm treuer Kunden.
Sie sagen, dass gerade kleinere Geschäfte nur punkten können, indem sie selbst etwas Besonderes anbieten oder gar produzieren – wie die Oelmühle. Zugleich stellen Sie fest, dass Sie zu wenig Werbung betreiben.
Die Bio-Bäckerei ist unser Plus und Alleinstellungsmerkmal, das machen wir tatsächlich zu wenig bekannt. Nach jeder Leistungsschau in Münchingen erleben wir ein halbes Jahr lang einen gewaltigen Zustrom. Viele Bürger kennen uns nicht oder denken, dass wir immer noch Öl herstellen. Auch unsere Internetseite stagniert, und in den sozialen Medien sind wir nicht präsent.
Woran scheitert das Marketing?
Es ist eine Zwickmühle: Wir sind mit unserer Arbeit voll ausgelastet und denken, dass Mund-zu-Mund-Werbung die beste Werbung ist und mehr wert als einzelne Aktionen. Sie erreicht aber nur einen Teil der Zielgruppe. Eine junge Generation würde hier bestimmt mehr investieren, was dem Geschäft guttun würde. Andererseits bedeuten mehr Kunden mehr Arbeit. Trotzdem denken wir über die Möglichkeit nach, unsere jungen Mitarbeiter etwa mit der Gestaltung unseres Internetauftritts einzuspannen.