Notfallmanager der Bahn in Vaihingen Foto: 7aktuell.de/Oswald

Der Bahn schlägt nach der Störung am Mittwochabend von Fahrgästen und Politikern Kritik entgegen. Der Konzern wehrt sich: Die Oberleitung sei erst im Januar inspiziert worden.

Stuttgart - Irgendwann, nach zwei Stunden Ein- und Aussteigen aus Zügen und Stadtbahnen, griff Sigrid Wiedenmann zu ihrem Mobiltelefon, um der „Odyssee“, wie sie sagt, ein Ende zu bereiten. „Ich hab mich dann mit dem Auto abholen lassen. Anders wäre ich nicht nach Böblingen und später nach Hause nach Tübingen gekommen“, sagt die Juristin.

Sigrid Wiedenmann saß nicht wie rund 900 Fahrgäste in einer der drei liegen gebliebenen S-Bahnen fest, die am Mittwochabend in der Stadt ein Verkehrschaos auslösten. Doch auch den persönlichen Fahrplan von Wiedenmann wirbelte das Verkehrschaos durcheinander.

Eine rund 15 000 Volt starke Oberleitung in Vaihingen war zuvor auf eine S-Bahn der Linie S2 gestürzt. Diese blockierte zwei weitere Bahnen, die in einem Tunnel hielten. Mehr als 900 Fahrgäste brachten Rettungskräfte aus den zwei Zügen.

Keine Kapazitäten für Ersatzverkehr

Viele Betroffene kritisierten am Donnerstag das Krisenmanagement der Bahn, weil es nicht ausreichend Ersatzbusse gegeben habe. Ein Bahn-Sprecher weist diese Kritik zurück. „Eine solche Störung ist naturgemäß keine planmäßige Sache. Wir können nicht vorausschauend sagen, dass wir zehn Busse vorab am Einsatzort bereitstellen lassen“, sagt der Sprecher. Weil die Störung während des Feierabendverkehrs auftrat, sei es auch schwierig gewesen Ersatz-Fahrzeuge aufzutreiben. Die Bahn fragte bei der SSB um Hilfe. Doch auch dort waren die Möglichkeiten eingeschränkt. „Für die Weiterfahrt der Passagiere muss die Bahn sorgen. Die Zahl der Betroffenen übersteigt bei weitem unsere Kapazitäten“, sagt eine Sprecherin der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB).

Am Mittwochabend habe es lediglich eine zusätzliche Stadtbahn gegeben, die Passagiere von Vaihingen nach Bad Cannstatt fuhr. „Das lag darin begründet, dass wir an dem Abend auch noch Veranstaltungsverkehr und keine weiteren Fahrzeuge hatten“, so die Sprecherin. Zwei zusätzliche Busse hat die SSB auf Anfrage der Rettungskräfte an die Haltestelle Universität geschickt, um die zwei Züge zu evakuieren. Die Bahn schickte drei sogenannte Notfallmanager zur heruntergestürzten Oberleitung. „Sie sperren die Gleise und sind für die Erdung der Oberleitung zuständig“, sagt der Sprecher der Bahn.

Absurde Reise durch Stuttgart

Auf einen Ersatzbus wartete die Juristin Sigrid Wiedenmann vergebens. Die Mitarbeiterin einer Versicherung in der Innenstadt ärgert sich vor allem über die Falschinformationen, die ihr immer wieder digitale Anzeigetafeln und Durchsagen lieferten. Von diesen geleitet nahm ihre Reise einen absurden Verlauf. „Am Hauptbahnhof stieg ich in die S1 nach Herrenberg ein.“ Der Zug fuhr auch los. „Doch dann nach 200 Metern meldete sich der Zugführer und sagte, dass es im Leid tue: Es gehe nun in die entgegengesetzte Richtung, nach Bad Cannstatt.“ Dort dann Warten. Wieder zurück zum Hauptbahnhof. Hier in die U12, die zunächst nur nach Möhrigen fuhr. Nach zwei Stunden erreicht Wiedenmann den Bahnhof Vaihingen. Und zückt letztlich ihr Mobiltelefon.

Kritik regte sich auch seitens der Politik. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne), der im Internet ein „Bahn-Tagebuch“ mit seinen Erlebnissen füllt, sagte: „Es rächt sich immer mehr, dass über viele Jahre nicht ausreichend in die Infrastruktur der S-Bahn investiert wurde“.

Kein Verständnis brachte der Bahn-Sprecher dafür auf. „Man staunt, wir wissen noch nicht einmal etwas über die genauen Ursachen, und schon werden Analysen angestellt.“ Es gebe durchaus Bemühungen, die Infrastruktur der Bahn in der Region zu verbessern. „Insbesondere die Oberleitung, die jetzt zu den Problemen geführt hat, haben wir erst im Januar dieses Jahres einer Vollinspektion unterzogen“, sagt der Bahn-Sprecher.