Bietigheim-Bissingen hat laut OB Kessing einen guten Mix aus Industrie, Dienstleistung und Handel. Foto: Andreas Weise/factum

Im März 2020 ist Oberbürgermeisterwahl in Bietigheim-Bissingen. Der Amtsinhaber kandidiert für eine dritte Amtszeit. Er will weiterführen, was er auf den Weg brachte. Die Wirtschaftsflaute lässt die finanziellen Spielräume aber schrumpfen.

Bietigheim-Bissingen - Der erste Kandidat für die Wahl am 8. März 2020 steht schon fest: Es ist der 62-jährige Amtsinhaber selbst. „Ich hatte keinen Anlass zu überlegen, ob ich andere Wege einschlagen soll“, sagt der Bietigheim-Bissinger Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD). „Ich habe seit 2004 so viele Dinge angeleiert. Die will ich auch vollends auf den Weg bringen.“ Am Dienstag hat der Gemeinderat die Formalien für die OB-Wahl beschlossen: die Ausschreibung und die Gemeindewahlausschuss-Besetzung.

Eines kann man jetzt schon sagen: In den nächsten Jahren wird es Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) nicht mehr so komfortabel haben wie bisher. Dass die Wirtschaft schwächelt, spürt auch das wohlhabende Bietigheim-Bissingen, das in den vergangenen Jahren mehr als 100 Millionen Euro in seine Infrastruktur stecken konnte. Die Gewerbesteuern gehen zurück: 35 Millionen Euro hat der Finanzbürgermeister Joachim Kölz für 2020 veranschlagt. Drei Millionen Euro weniger als 2019.

Breiter Mix von Industrie Dienstleistung und Handel

„Die Einschläge kommen näher“, sagt Jürgen Kessing. „Ich führe viele Gespräche, bei denen von Anpassen und Abbauen die Rede ist. Man merkt, wie eminent wichtig exzellente Überlebensstrategien für die Unternehmen sind.“ Auch bei Expansionswünschen und Nachfragen nach Gewerbeflächen sei inzwischen „eine gewisse Beruhigung“ eingetreten. Angesichts der labilen Wirtschaftslage stünden Kommunen, die von einzelnen großen Gewerbesteuerzahlern abhingen, vor angsteinflößenden Szenarien. „Zum Glück haben wir in Bietigheim-Bissingen einen breit gestreuten Mix von Industrie, Dienstleistung und Handel“, sagt der Rathauschef. Dennoch: bei einem Wirtschaftseinbruch wie im Jahr 2008 fange auch ein noch so guter Firmenmix die Auswirkungen nicht auf, sagt Kessing.

Kessing verspricht neuen Wohnraum

Parallel zu den rückgängigen Gewerbesteuereinnahmen werde durch die drohenden Jobverluste im Industriesektor auch der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stagnieren, befürchtet Kessing. Dieser war in den jüngsten Jahren mit den Lohnsteigerungen gewachsen. Umso wichtiger ist es dem Stadtoberhaupt, nicht an der Gewerbesteuer- und Grundsteuer-Schraube zu drehen: Das Alleinstellungsmerkmal mit den „Topplätzen bei den Hebesätzen, durch die wir unseren Unternehmen und Bürgern Steuer-Mehrzahlungen von fünf bis sechs Millionen Euro ersparen“, soll Luft verschaffen.

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„Die Betriebe profitieren von der niedrigen Steuerbelastung.“ Und wegen der Wohnungsnot wolle die Stadt auch der Bürgerschaft ein Signal geben. Die Miet- und Kaufpreise sollten nicht durch eine höhere Grundsteuerbelastung noch weiter nach oben getrieben werden. Gleichzeitig soll neuer Wohnraum entstehen, etwa auf dem einstigen Firmengelände von DLW oder auf dem Lothar-Späth-Carré.

„Die Stadt steht so gut wie nie da“

Die Stadt bleibt trotz allem weiterhin schuldenfrei und hat so viel Geld auf der hohen Kante, dass sie auch 2020 knapp 31 Millionen Euro in Schul- und Kita-Bauprogramme, Grundstückskäufe, barrierefreie Bushaltestellen oder Straßenerhaltung investieren will. 23 Millionen muss sie aber aus ihren Reserven beisteuern.

„Das heißt, unser Bestand an Zahlungsmitteln nimmt ab. Wir müssen künftig genau hinschauen“, so Kessing. Trotzdem stehe die Stadt so gut da wie nie in ihrer Geschichte. Da kenne er aus anderen Wirkungsorten ganz andere Probleme. Aus seiner Zeit als Bürgermeister in Dessau etwa, „mit strukturellen Defiziten von 25 bis 30 Prozent und dem katastrophalen Jahrhundert-Hochwasser“.