Kleidung, Tierfutter, ein Buch, Konserven: Bürger verpackenBürger verpacken Spenden für Obdachlose in Plastiktüten und hängen sie an einen Bauzaun in Herrenberg. Foto: factum/Simon Granville

Ein Bauzaun in Herrenberg dient als Anlaufpunkt für Bedürftige.

Herrenberg - In einem Plastikbeutel hängt ein Pullover, in einem anderen baumeln Fertiggerichte, in einem dritten findet sich ein Buch. Seit Ostern gibt es den Herrenberger Gabenzaun. Er steht auf dem Gelände der Süddeutschen Gemeinschaft, einer großen pietistischen evangelischen Glaubensvereinigung. Helfen soll der Zaun jedoch allen bedürftigen Herrenbergern. Wer etwas zu verschenken hat, bevorzugt Konserven und Hygieneartikel, der kann diese Gaben in einem Plastikbeutel an den Bauzaun an der Kalkofenstraße 55 knüpfen.

Auf die Idee kam die alleinerziehende Mutter Doris Grieco, die selbst einmal mit ihren drei Kindern vor der Obdachlosigkeit stand. Eine Zeit, die sie sehr geprägt hat. Sie hatte auf der Internetplattform Facebook eine Dokumentation über den Hamburger Gabenzaun gesehen, den es seit etwa 2017 gibt. Dort steht am Vorplatz des Hauptbahnhofs eine kniehohe Steinmauer. Weil sich dort stets Obdachlose niederließen, bekam die Mauer einen Zaun obendrauf, um die Obdachlosen zu vertreiben.

Ein Bericht aus Hamburg gab den Anstoß

Mildtätige Menschen jedoch, empört vom rigiden Vorgehen der Behören, begannen, an dem Zaun Plastikbeutel zu befestigen mit Lebensmitteln und Kleidung. Dazu fanden sich laminierte Papier-Schilder an den Metallstäben. „Gib, was du kannst, denn du schläfst heute in einem warmen Bett“, stand auf einem und auf einem anderen: „Hamburger Gabenzaun“. Ermuntert von dem Beispiel wurden in Kassel und Dortmund ähnliche Zäune für Obdachlose gebaut. In Darmstadt gibt es schon länger einen „sozialen Zaun“, der laut Medienberichten auch immer wieder Vandalismus erleben musste oder geplündert wurde.

Dennoch war Doris Grieco entschlossen, dieses Projekt auch in Herrenberg anzustoßen. Sie wandte sich an die Stadtverwaltung und bekam den Rat, sich mit den sozialen Einrichtungen Herrenbergs zu verbünden. So kam sie mit Johannes Söhner von der Diakonie in Kontakt und mit Micha Evers, dem Pfarrer der Süddeutschen Gemeinschaft.

Die Bereitschaft zu helfen war groß. Die Beteiligten kamen überein, den Zaun nicht auf eine öffentliche Fläche zu stellen wegen der zahlreichen Auflagen. Ein großes Glück war es, dass die Süddeutsche Gemeinschaft in der Kalkofenstraße 55 den Vorgarten ihres Versammlungshauses zur Verfügung stellte.

Da hängen sie nun, die Plastikbeutel mit den Gaben für Obdachlose oder Bedürftige. „Die Beutel werden manchmal schneller abgehängt, als wir welche anbringen können“, sagt der Diakon Johannes Söhner. Er rät den Spendern dazu, Konserven zu kaufen, Hygieneartikel und auch Tierfutter, weil die meisten Obdachlosen Hunde hielten.

Ehrenamtliche Helfer haben ein Auge auf den Zaun

Die Aktion werde deswegen so gut angenommen, sagt Doris Grieco, weil die Bedürftigen anonym bleiben könnten. Damit es nicht zu Vandalismus kommt, haben ehrenamtliche Helfer ein Auge auf den Zaun. Die Plastikbeutel werden abends um 18 Uhr abgehängt, die Aktion läuft nur von Montag bis Freitag. Doris Grieco hängt selbst ab und zu einen Beutel auf, auch wenn sie selbst von Hartz IV lebt: „Ich hab zwar nicht viel, aber was ich habe, das kann ich auch teilen“.

Überhaupt hat der Zaun im Herrenberger Industriegebiet eine gewisse Symbolkraft gewonnen, das zeigen die Schilder die zusätzlich zu den Plastikbeuteln auf dem Gebilde prangen. „Ein Zaun, der nicht trennt, sondern verbindet“, steht auf einem davon.