Der amerikanische Traum? Vage, aber erkennbar!. Foto: Horst Rudel

Der Nürtinger Fotograf Mario Wezel zeichnet ein düsteres Bild von Amerika. Es entspricht nicht dem Mythos, der ihn einst gefangen genommen hat.

Nürtingen - Die Vorstellung ist aus, der Vorhang ist gefallen. Was bleibt, ist Tristesse, die den Betrachter aus dem leeren Rahmen einer Werbetafel anspringt. Über der plakativen Leerstelle steht noch der Hinweis: „Starts Friday“. Doch nichts beginnt mehr. Weder am Freitag, noch sonst irgendwann. Weder in diesem Kino in Washington D. C., noch sonst irgendwo in diesem Amerika, wie es der 31 Jahre alte Fotograf Mario Wezel durch die Linse seines Fotoapparates sieht. Seine Bilder, die in der Ausstellung „Amerika?“ in der Nürtinger Kreuzkirche zu sehen sind, zeigen ein Land in Endzeitstimmung – weit weg von dem großspurigen „Make-America-great-again-Versprechen“, mit dem der Präsident Donald Trump in seine Amtszeit gestartet war.

„Ich sehe leere Strände und Straßen, einsame Menschen auf den Bürgersteigen, Blüten sind zu Boden gefallen und vermischen sich mit Patronenhülsen. Die Masse schluckt das Individuum, und dann ist da nichts außer Geld, Geld und Geld“, sagt Mario Wezel. Also sieht auch der Betrachter seiner Fotos leere Strände, einsame Menschen und zu Boden gefallene Patronenhülsen und – im wahrsten Sinne des Wortes – massenhaft vereinsamte Menschen. Mario Wezel ist enttäuscht. Er ist enttäuscht von einem Land, das ihm als Heranwachsenden als Verheißung erschienen war. Das Trikot der Lieblingsbasketballmannschaft (Wetten, es ist das das mit der Nummer 23 der Chicago Bulls), die erste Zigarette mit dem Duft nach Abenteuer und Weite, der erste Action-Film im Kino – das ist das Amerika des im beschaulichen Nürtingen heranwachsenden Mario Wezel. Das Land, das der inzwischen gereifte und mehrfach preisgekrönte Fotograf jetzt vor die Linse bekommen hat, will so gar nicht zu dem Jugendtraum passen. Es ist ein müdes Land, das seinen Zenit augenscheinlich überschritten hat.

Realmetaphern eines zerrissenen Sehnsuchtslandes

Als „Realmetaphern eines zerrissenen Sehnsuchtslandes“ hat der Journalist Rainer Nübel die Farbfotografien Wezels anlässlich der Ausstellungseröffnung bezeichnet. Selten eingängig, häufig eher sperrig, verschlössen sie sich der schnellen Story. Sie forderten den Betrachter auf, selbst Ansätze zu suchen, wie „dieses Land sich erneuert, die Brüche und Gräben in seiner Gesellschaft angeht und hoffentlich überwindet“. Wezel hat diese Ansätze auf seiner Fotoreise auf 25 000 Meilen quer durch 27 Staaten des Landes nicht gefunden. „Ich folgte Straßen, die kein Ende haben und einem Mythos, den ich niemals verstehen werde“, sagt er, die beiden Reisejahre zusammenfassend.

Hoffnung und Optimismus sieht Nübel dagegen aufscheinen – vage, aber erkennbar. Ein Widerspruch, den jeder Besucher aufgerufen ist, für sich selbst zu lösen.