Millimeterarbeit – in der Teckstraße ist kaum ein Durchkommen. Foto: Horst Rudel

Die Feuerwehr zeigt bei einer Demonstrationsfahrt, wie Autofahrer ihr das Leben schwer machen. Zugeparkte Rettungswege und andere Verstöße können im Ernstfall schlimme Folgen haben.

Nürtingen - Wenn es brennt, ist die Feuerwehr schnell zur Stelle. Spätestens vier Minuten nach dem Alarm muss das erste Fahrzeug ausrücken. Wie schnell die Retter dann am Einsatzort sind, hängt davon ab, wie frei die Straßen sind. Wie in anderen Städten macht die Ignoranz von Autofahrern auch in Nürtingen der Feuerwehr immer häufiger das Leben schwer. Das wird bei einer gemeinsamen Demonstrationsfahrt mit der Nürtinger Wehr und dem Ordnungsamt deutlich.

Fehlendes Unrechtsbewusstsein bei Verkehrsteilnehmern

Im Quartier Kirchheimer Vorstadt geht es eng zu. Das acht Meter lange Löschgruppenfahrzeug, das die Floriansjünger im Ernstfall zu Brandherden und Unglücksstellen bringt, kommt hier teilweise nur im Schritttempo voran. Der Feuerwehrmann Oliver Färber am Steuer will jetzt von der Katharinenstraße in die Eugenstraße abbiegen. Doch das ist nicht so einfach. Gleich rechts steht ein Lastwagen geparkt. „Das Parken ist unzulässig vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je fünf Metern von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten“, steht in der Straßenverkehrsordnung.

Die Fünf-Meter-Zonen-Regel hat der Lastwagenfahrer klar verletzt. „Beim Rangieren entstehen Zeitverluste“, verdeutlicht der Abteilungskommandant Stadtmitte, Rolf Binder, das Problem. Warum nehmen es viele Verkehrsteilnehmer beim Parken nicht so genau? Dafür gibt es verschiedene Gründe, weiß die Nürtinger Ordnungsamtsleiterin Angela Pixa. „Ich wollte ja bloß g’schwind. . .“ Mit diesen Worten beginnen Parksünder gemeinhin ihre Rechtfertigungsversuche gegenüber Mitarbeitern des Ordnungsamts, wenn diese etwas beanstandet haben. Häufig mangelt es den Ertappten schlicht am Unrechtsbewusstsein, beklagt die Nürtinger Bürgermeisterin Claudia Grau. „Viele sagen: ,Das reicht doch, da kommt die Feuerwehr vorbei‘. Aber oft reicht es eben nicht, oder die Einsatzkräfte sehen sich erheblich behindert“, sagt Claudia Grau. Viele Menschen hätten schlicht auch Mühe, Abstände richtig einzuschätzen, so die Bürgermeisterin.

Stadt will Bevölkerung sensibilisieren

„Manchmal passt kein Blatt dazwischen“, sagt Angela Pixa. So wie in der Teckstraße. In diesem Teil der Kirchheimer Vorstadt ist es besonders eng. Die Insassen steigen aus und lotsen das Löschgruppenfahrzeug an parkenden Autos vorbei. Oliver Färber klappt den Außenspiegel ein, damit er nicht an einem Verkehrsschild hängen bleibt. Kinder auf einem Spielplatz und Anwohner beobachten neugierig die ungewöhnliche Szene.

„Brennt’s hier?“, fragt einer. Nein, es brennt nicht, aber falls doch, muss die Feuerwehr rasch an Ort und Stelle sein. Das wollen die Stadt und die Wehr mit dieser Demonstrationsfahrt der Bevölkerung klar machen. „Uns geht es darum, die Leute aufzuwecken. Wenn wir schnell am Einsatzort sind, kann das Leben retten“, erklärt der Nürtinger Stadtbrandmeister Ralf Bader.

Wehrmänner schleppen ihre Ausrüstung 100 Meter weit

Neuralgische Stellen sind auch die engen Gassen in der Altstadt. Damit es für die Wehr im Notfall auch mit dem noch längeren Drehleiterfahrzeug ein Durchkommen gibt, ist Parkdisziplin gefordert. Doch diese lassen Autofahrer an diesem Abend auch in der Kirchstraße vermissen. Die Feuerwehrzufahrt beim Brunnen an der Stadtkirche ist zugeparkt.

Was die Folgen sind, hat sich erst in der vergangenen Woche wieder gezeigt. Bei einem Kleinbrand in der Brunnsteige mussten die Feuerwehrmänner ihre Ausrüstung wegen eines Falschparkers rund 100 Meter weit tragen. Auch wenn es in diesem Fall glimpflich ausging – Rolf Binder schüttelt über so viel Rücksichtslosigkeit den Kopf. Denn im Ernstfall geht es um Leben oder Tod. Im Vergleich dazu sind die Klagen der Müllabfuhr, die sich ebenfalls durch Parksünder immer wieder ausgebremst sieht, fast schon nebensächlich.

Rund 300 mal rückte die Feuerwehr aus

Struktur
Die Nürtinger Feuerwehr setzt sich abgesehen von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern aus ehrenamtlichen Kräften zusammen. In sechs Abteilungen sind insgesamt rund 240 Feuerwehrmänner aktiv. Die Jugendfeuerwehr hat rund 80 Mitglieder.

Fristen
Per Gesetz müssen Rettungskräfte spätestens zehn Minuten nach einem Alarm am Einsatzort eintreffen. „Wir können in unserem Stadtgebiet die Fristen einhalten“, berichtet Rolf Binder, der Abteilungskommandant Nürtingen Stadtmitte.

Einsätze
2015 hatte die Freiwillige Feuerwehr 314 Einsätze. Spektakulär war ein Wohnhausbrand nach einer Gasexplosion im Mai.