Der Pfarrer von St. Laurentius, Markus Lautenschlager, in der leere Stadtkirche. Foto: Horst Rudel/Horst Rudel

Die Schutzmaßnahmen, die die Ausbreitung des Coronavirus bremsen sollen, lähmen das gesellschaftliche Leben. Die Kirchen wollen gegenhalten.

Nürtingen - Das Coronavirus hält die Gesellschaft im Griff. Die Kirchen im Landkreis wollen sich mit der auch in den Köpfen um sich greifenden Lähmung nicht abfinden. Sie halten dagegen: Konfessionsverbindend und gemeindeübergreifend rufen die Glocken in Stadt und Land täglich um 10.30 Uhr zum häuslichen Gebet. Viele Kirchengemeinden im Kreis Esslingen bieten zudem Gottesdienste im Internet an – eine Übersicht findet sich auf der Homepage der Evangelischen Landeskirche Württemberg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Online-Predigt, das ist auch für den Pfarrer der Nürtinger Stadtkirchengemeinde St. Laurentius, Markus Lautenschlager, ein ungewohntes Terrain. Am Sonntag hat sich der Seelsorger zum ersten Mal über das Internet an die Gläubigen gewandt. Die von den Orgelklängen des Organisten Hanzo Kim untermalte Predigt war am Tag zuvor aufgezeichnet worden. Sie hat am Sonntag, Stand 18 Uhr, schon rund 80 Aufrufe verzeichnet.

Segen in sicherem Abstand

Die Kirchengemeinde St. Laurentius zählt rund 3000 Gemeindeglieder. Zum sonntäglichen Gottesdienst begrüßt Markus Lautenschlager regelmäßig zwischen 50 bis 80 Gläubige in der vor mehr als 500 Jahren auf dem Schlossberg errichteten Nürtinger Stadtkirche. An diesem Sonntag findet die Begrüßung der acht Unentwegten, die trotz der bekannt gegebenen Streichung der Gottesdienste den Weg auf den Schlossberg gefunden haben, vor der Kirche statt. Den Gläubigen – im Halbkreis und im sicheren Drei-Meter-Abstand aufgereiht – gibt Lautenschlager ein Gebet, das Wochenlied „Jesu, meine Freude“, eine kurze Andacht und das Vaterunser mit auf den Heimweg.

Auch wenn Lautenschlager seinen Worten zufolge als Seelsorger in den schwierigen Zeiten (bislang) nicht besonders gefordert ist, muss er sich Fragen zum strafenden Gott stellen. Die Idee, sagt der Geistliche, sei abwegig. „Die Strafe würde ja alle treffen. Da wäre Gott aber ein schlechter Pädagoge“, sagt er. Alle gängigen Erklärungsversuche seien unzulänglich und müssten scheitern. Was bleibe, sei die dringende Aufforderung an die Menschen, angesichts der Herausforderung zusammenzustehen.

Nicht alles ist abgesagt . . .

Da liegt der Nürtinger Pfarrer ganz auf der Linie von Bernd Weißenborn, dem Dekan des Evangelischen Kirchenbezirks Esslingen. Der listet, ausgehend von der Frage, ob denn in Zeiten von Corona alles abgesagt sei, in einer Pressemitteilung eine ganze Reihe von Dingen auf, die „auch in diesen Zeiten der Einschränkung“ wahrgenommen werden sollten:

Die Sonne ist nicht abgesagt.

Das Lachen ist nicht abgesagt.

Der Frühling ist nicht abgesagt.

Träume sind nicht abgesagt.

Glaube ist nicht abgesagt.

Hoffnung ist nicht abgesagt.

Hilfsbereitschaft ist nicht abgesagt.

Und auch Beten nicht . . . .