„Trotz Corona, wir halten durch“: das Neckarstift will in der Krise nicht resignieren und wendet sich an die Bevölkerung. Foto: privat

Das DRK-Seniorenzentrum Neckarstift startet in der Corona-Krise eine ungewöhnliche Aktion – und erntet begeisterte Reaktionen.

Nürtingen - „Trotz Corona, wir halten durch!!! Lieber Ballonfinder, ich komme von einem Bewohner des Seniorenzentrums Neckarstift. Derzeit dürfen wir leider keinen Besuch empfangen. Jeder von uns würde sich aber über Post freuen. Helft mit, unseren Alltag zu erheitern und schickt uns einen Brief!“

Karten mit diesem Aufruf und der Adresse des Seniorenzentrums im Nürtinger Teilort Neckarhausen haben Mitarbeiter der Einrichtung an mit Helium gefüllten Ballons befestigt und diese in den Himmel aufsteigen lassen. Die Ballonaktion soll der Vereinsamung der Bewohnerinnen und Bewohner infolge der Corona-Krise entgegenwirken.

Auf Facebook gibt es viel Lob und viele Likes

„Wir hatten von einer Faschingsaktion noch Helium übrig“, erklärt Fabian Kulf, der als Pflegefachkraft im Seniorenzentrum Neckarstift arbeitet. Im Kollegenkreis sei dann überlegt worden, wie das Gas sinnvoll verwendet werden könnte, und so wurde die Idee zu der Ballonaktion geboren. Zur Personalisierung seien die Karten noch mit den Fingerabdrücken der Senioren versehen worden. Verbunden mit der Aktion war die Hoffnung, „dass die Leute hier wenigstens was von draußen reinkriegen und merken, dass sie nicht alleine sind“, erklärt Fabian Kulf.

Und die Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Innerhalb weniger Tage seien bereits 14 Briefe eingetroffen. Doch dies ist längst nicht alles. Fabian Kulf betreut auch die Facebook-Seite des Neckarstifts. Und dort hat der Pfleger die Ballonaktion ins Netz gestellt. Die vielen positiven Reaktionen darauf haben ihn selbst überrascht. Circa 70 Mal sei der Beitrag geteilt worden, es gibt eine Vielzahl von Likes, und insgesamt hat die Aktion über die sozialen Medien rund 14 000 Menschen erreicht. „Mega, deswegen hing gestern ein Ballon im Baum gegenüber. Richtig süße Idee“, „so schön für unsere Senioren da zu sein. Ihr seid tapfer“, „Super. Bleibt alle gesund“, lauten einige der Kommentare.

Senioren fühlen sich wie im Luftschutzkeller

„Dass die Aktion solche Wellen schlägt, hätten wir nicht gedacht“, sagt Fabian Kulf. Die Reaktionen aus der Öffentlichkeit auf die ungewöhnliche Luftpost habe die Bewohner zu Tränen gerührt. Fabian Kulf berichtet, dass die mit der Corona-Krise verbundenen Vorsichtsmaßnahmen mit der Einschränkung von sozialen Kontakten für die Bewohner potenziell sehr belastend sind: „Das geht in manchen Fällen bis zur traurigen Retraumatisierung.“ Denn manche Seniorinnen und Senioren fühlten sich derzeit an den 2. Weltkrieg erinnert, als sie bei Angriffen isoliert im Luftschutzkeller ausharren mussten, bis das Schlimmste vorüber war.

Umso wichtiger sei jetzt der Zuspruch aus der Bevölkerung für die älteren Menschen. Die Aktion könnte nun sogar Nachahmer finden, und zwar in Sachsen, wie Fabian Kulf erfahren hat.