Ab sofort gibt es in den Möhringer Apotheken die Notfalldose. Foto: Jacqueline Fritsch

Die Notfalldose soll Rettungskräften beim Einsatz wichtige Informationen liefern. Doch ausgerechnet diejenigen, die sie nutzen sollen, sind noch skeptisch.

Möhringen - Es wäre gar nicht schlecht gewesen, wenn der Mann eine Notfalldose gehabt hätte, meint Birgit Keyerleber, die Geschäftsführerin der Initiative Lebensraum Möhringen (ILM). Die Rede ist von einem Alleinstehenden, der tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. „Ich wusste gar nicht, wen ich anrufen kann, um etwas über die Beerdigung des Mannes herauszufinden“, sagt Keyerleber. Wäre eine Notfalldose in seinem Kühlschrank gestanden, hätte sie vielleicht einen Ansprechpartner gefunden.

Das ist natürlich ein Extrembeispiel. Die Notfalldose kann auch in viel harmloseren Situationen hilfreich sein. Es ist ein Plastikdöschen mit einem Zettel darin, auf dem wichtige Angaben zu Krankheiten, Medikamenten und Notfallkontakten festgehalten werden. Diese Dosen werden im Kühlschrank aufbewahrt, wo Rettungskräfte sie im Notfall finden können. So kommen die Helfer an wichtige Infos, die etwa bewusstlose Patienten oder Angehörige in einer solchen Stresssituation nicht geben können. Diese Notfalldosen gibt es bereits seit gut einem Jahr in Bad Cannstatt und nun auch in Möhringen.

Vor allem für Alleinstehende könnte die Notfalldose sinnvoll sein

Die Idee, die Notfalldose auch im Filderbezirk anzubieten, stammt von Ingrid Schulte. „Ich bin damit auf die Filderbahn-Apotheke zugegangen und habe gefragt, ob sie sich so etwas vorstellen könnten“, sagt die Frau vom Stadtseniorenrat. In der Apotheke hielt man die Notfalldose für eine gute Idee. „Realisiert haben wir es dann über die ILM und den Diakonieverein“, sagt Ernst-Martin Lieb, der als Pfarrer dem Diakonieverein vorsitzt. Die Aktion ist also ein Gemeinschaftswerk. „Diese Vernetzung gibt es sonst nirgendwo“, sagt Lieb.

Eine Notfalldose sei nicht nur für ältere Menschen sinnvoll. „Die Zielgruppe sind vor allem alleinstehende Menschen oder solche, die viel alleine mit dem Fahrrad oder Auto unterwegs sind“, sagt Birgit Keyerleber. Letztere könnten die Dose im Fahrradkorb oder im Handschuhfach deponieren und den Hinweisaufkleber, der eigentlich an die Kühlschranktüre gehört, sichtbar am Fahrzeug anbringen. Wer Hilfe beim Ausfüllen des Infoblatts braucht, kann sich an die ILM, den Stadtseniorenrat oder die Diakonie wenden.

Haben Rettungskräfte die Zeit, um nach der Notfalldose zu suchen?

Einen Haken hat die Sache aber noch: „Die Rettungskräfte haben wir bisher nicht ins Boot bekommen“, sagt Ingrid Schulte. Dabei sollten doch genau sie die Dose im Notfall finden. Doch auch in anderen Städten, in denen die Notfalldose eingeführt wurde, stieß sie auf Misstrauen, etwa in Gerlingen: Dort sagte ein ehemaliger Chefarzt gegenüber unserer Zeitung, dass es im Notfall auf jede Sekunde ankäme und bei einem Einsatz keine Zeit bleibe, nach der Notfalldose zu suchen. Diakonieverein, Stadtseniorenrat und ILM sind sich ihrer Sache trotzdem sicher. „Wir müssen damit einfach mal vorpreschen, auch wenn noch nicht alle einverstanden sind“, sagt Hans-Ulrich Ebertshäuser von der ILM.

Für Möhringen gibt es nun 1000 Notfalldosen, die in allen Apotheken im Bezirk und in der Diakoniestation an der Filderbahnstraße erhältlich sind. Der Diakonieverein hat die runden Lebensretter finanziert – 2100 Euro haben sie gekostet. „Wenn jemand für seine Dose nicht zahlen kann, ist das auch in Ordnung, aber wir freuen uns über eine Spende. Der Richtwert liegt bei zwei Euro. “, sagt Birgit Keyerleber. In der Dose stecken zwei Infoblätter, auf denen die wichtigsten Daten über Medikamente, Krankheiten und Hausarzt eingetragen werden, und zwei Aufkleber – einer wird am Kühlschrank, der andere an der Innenseite der Wohnungstür angebracht. So wissen Helfer im Notfall, wo sie Informationen über den Patienten finden. „Ich glaube, die Notfalldose ist eine Chance, den Menschen adäquat helfen zu können“, sagt Ernst-Martin Lieb, „und uns geht es ja allen darum, beim Leben zu helfen“. Wenn alle 1000 Notfalldosen weg sind, würde der Diakonieverein laut Lieb „gerne noch einmal 2000 drauflegen.“