Die braune Brühe hält, was sie verspricht: Die Fäkalbelastung des Neckars ist bisweilen über dem Zwanzigfachen des tolerierbaren Höchstwerts für ein Badegewässer. (Archivbild) Foto: Achim Zweygarth

Die Absage der Behörden an die Stuttgarter Neckarwelle hat die Sauberkeit des Flusses wieder in den Fokus gerückt. Was das Gesundheitsamt im Wasser gefunden hat, ist nicht sehr appetitlich.

Stuttgart - So bitter das Aus für die Neckarwelle für Surfer ist: Das Thema bringt die besorgniserregende Wasserqualität des Flusses wieder ins Gespräch und die Ergebnisse der 18 Proben, die das Landesgesundheitsamt dort entnommen hat, zeigen auf, dass der Neckar eine ziemliche Fäkalbrühe ist. Das Fazit: Überall wurden der Norovirus und E.-coli-Bakterien gefunden. Von Triathleten, die den Fluss durchquert hatten, berichten laut Landesgesundheitsamt fünf bis 21 Prozent von Magen-Darm-Beschwerden – und besser geworden ist überhaupt nichts.

Das wird es nach Einschätzung von Jens Fleischer vom Gesundheitsamt auch nicht, zumindest nicht ohne einen Mammutakt: „Würde man die Kläranlagen, die in den Neckar entwässern beziehungsweise den Neckar als sogenannte Vorfluter nutzen, auf einen technischen Stand bringen, dass quasi Badewasserqualität erzeugt würde, rechne ich mit einem Zeitfenster von bis zu 25 Jahren und Kosten in Milliardenhöhe“.

49 Triathleten erkrankt

Ein greifbares Beispiel, das die Wasserqualität des Neckars beschreibt: Triathlonveranstaltungen in Heidelberg und Ladenburg 2006, bei denen jeweils eine Etappe auch durch den Neckar verlief. Das Landesgesundheitsamt wertete damals Fragebögen der Teilnehmer aus und zog die Ergebnisse jetzt im Technikausschuss in Stuttgart heran, um der Stadt dringend von der Surfwelle im Neckar abzuraten.

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235 Fragebögen wurden zurückgeschickt, 49 Personen gaben an, in der Folge an Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen gelitten zu haben. Also etwa jeder Fünfte. Legt man der Rechnung zugrunde, dass insgesamt 871 Sportler teilgenommen haben, sind es immer noch fünf Prozent, die die Neckar-Etappe besser ausgespart hätten – wenn man davon ausgeht, dass die restlichen Teilnehmer, die sich nicht zurückgemeldet hatten, alle gesund geblieben sind.

Das Zwanzigfache des Tolerierbaren

Ein Blick in die aktuellen Untersuchungen des Landesgesundheitsamts zeigt, woran das liegen könnte. Im Zeitraum zwischen Juli und Oktober 2018 haben Behördenmitarbeiter 18 Proben entnommen und unschöne Funde gemacht. So wurde der Grenzwert für ein Badegewässer von E.-coli-Bakterien, die bei Darmausscheidungen freigesetzt werden und zu Darmerkrankungen führen, im Mittel um das Doppelte überschritten. Die Belastung durch Enterokokken – Milchsäurebakterien, die gefährliche Infektionen und Herzerkrankungen hervorrufen können – habe den Grenzwert nahezu immer erreicht.

Die Spitzenwerte der Proben gehen noch weit darüber hinaus. An zwei Tagen des untersuchten Zeitraums lag die Konzentration für E. coli beim Zwanzigfachen des tolerierbaren Höchstwerts, die Enterokokken-Belastung beim Zehnfachen.

Klärwerken fehlt zusätzliche Reinigungsstufe

Im Jahr 2001 wurde die Wasserqualität des Neckars noch intensiver untersucht. Hier fand das Gesundheitsamt in 42 von 111 Proben außerdem Salmonellen. Das Bild vor knapp 20 Jahren unterscheidet sich kaum von dem heutigen, das Gesundheitsamt schreibt in seinem Bericht: „Nach unseren Einschätzungen sind bis heute keine wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen.“

Ein Faktor dafür sind die Kläranlagen und Regenüberlaufbecken in Stuttgart und flussaufwärts, weil sie nicht mit der Technik ausgestattet sind, die Keime zu vernichten. Laut Jens Fleischer vom Gesundheitsamt müssten viele von ihnen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe ausgerüstet werden. Die mehrheitlich vorherrschenden Mischkanalisationssysteme in Baden-Württemberg oder die direkten Einleitungen aus der Kanalisation leisteten dies aktuell nicht.