Ärzte und Sanitäter schützen sich vor Ansteckung. Foto: 7aktuell.de/Daniel Jüptner

Die Corona-Krise führt bisher noch zu keinen erhöhten Einsatzzahlen der Rettungsdienste. Doch die Organisationen wappnen sich für den Extremfall. Das bedeutet umfangreiche Schutzmaßnahmen, sparsamen Umgang mit Material und Ehrenamtliche als Reserve.

Stuttgart - Der Einsatz wirkt wie aus einem Hollywood-Film. Als eine Frau in der Region wegen starker Bauchkrämpfe die 112 wählt und der Rettungswagen vorfährt, gehen die Mitarbeiter auf Nummer sicher. In Schutzanzügen betreten sie das Haus, mit Mundschutz und sehr vorsichtig. „Das war irgendwie beängstigend“, so die Betroffene. Hinterher stellt sich heraus, dass ihre Beschwerden nichts mit dem Corona-Virus zu tun hatten.

An solche Anblicke werden sich die Patienten gewöhnen müssen, auch wenn sie noch nicht ständig vorkommen. Denn die Retter müssen vorsichtig sein, sind sie doch unverzichtbar – gerade im Krisenfall. „Unsere Mitarbeitenden im Rettungsdienst richten sich wie immer nach der Lagemeldung, wenn sie zum Einsatz gerufen werden“, sagt Joachim Fässler. Er ist bei den Maltesern Geschäftsführer des Rettungsbezirks Stuttgart, zu dem acht Wachen zwischen Schwarzwald, Neckartal und Odenwald gehören. Im Normalfall wird also ohne umfangreiche Schutzkleidung gearbeitet.

Gibt es allerdings Hinweise auf eine Infektion, verstärken Rettungswagenbesatzungen und Notärzte die Schutzmaßnahmen. „Dann tragen sie Atemschutzmasken und Schutzoverall sowie Schutzbrille“, sagt Fässler und betont: „Alle Kolleginnen und Kollegen tun ihr Bestes, um die Dienste für die Menschen, die uns brauchen, aufrechtzuerhalten.“ Um solche Fälle von Anfang an einschätzen zu können, wird versucht, schon beim Notruf entsprechend vorzugehen. „Die Abfragekataloge auf den Leitstellen sind geändert worden“, sagt Udo Bangerter, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Schichtwechsel ohne Kontakt

Bei allen Organisationen gelten auf Fahrzeugen und in den Rettungswachen verstärkte Hygienemaßnahmen. Dazu gehören neben Schutzausrüstung auch frühzeitige Befragungen der Patienten über Risikofaktoren und Symptome – und das in angemessener Distanz. Das Mitfahren von Angehörigen in den Fahrzeugen ist auf Ausnahmefälle beschränkt, Schichtwechsel werden möglichst ohne Kontakt abgewickelt. Und mit Material soll sparsam umgegangen werden.

Bisher befinden sich die Einsatzkräfte wegen der Krise noch nicht im Dauerstress. „Das Einsatzaufkommen ist derzeit auf unseren Wachen im Rettungsdienst noch unverändert“, so Fässler. Es gebe nur vereinzelt Einsätze, bei denen man auf Corona-Patienten stoße. In seltenen Fällen handele es sich um Verdachtsfälle, die aus Risikogebieten kommen und gegebenenfalls auch leichte Symptome aufweisen. „Die Lage ist aber sehr dynamisch und kann sich jederzeit sehr schnell ändern“, weiß Fässler. Das bestätigt auch das DRK: „Bisher klappen die Abläufe gut, die Einsatzkräfte können ihren Job machen“, sagt Bangerter.

Bei den Rettern selbst allerdings ist die Infektionslage unterschiedlich. „Beim DRK in Stuttgart gibt es noch keine Erkrankten“, weiß Bangerter. Im Land dagegen habe es bereits einige Quarantänefälle gegeben. Bei den Maltesern ist noch nichts bekannt. „Bisher gibt es bei unserem Rettungsdienstpersonal keine Erkrankungen in den eigenen Reihen. Bei Verdachtsfällen würden wir die betroffenen Mitarbeitenden umgehend in Quarantäne schicken“, so Fässler. Bei anderen Organisationen ist von Verdachtsfällen bei Ehrenamtlichen die Rede.

Sonderregelungen für die Retter

Und was passiert, wenn sich die Krise ausweitet und auch beim Rettungspersonal größere Lücken klaffen? Dafür gibt es verschiedene Szenarien. „Mit dem Innenministerium sind bereits verschiedene Maßnahmen abgesprochen“, so Bangerter. Dazu gehört, dass Pflicht-Fortbildungen der Mitarbeiter ausgesetzt werden dürfen. Sollte das Personal knapp werden, sind weitere Lockerungen geplant. So dürfen nicht nur Notfallsanitäter und Rettungsassistenten Notarztfahrzeuge fahren, sondern auch Rettungssanitäter. „Wir fahren auf Sicht und passen die Lage je nach Bedarf an“, heißt es beim DRK.

Auch bei den Maltesern steht der Notfallplan. „Derzeit haben wir noch einen gut ausgestatteten Personalpool, Ausfälle könnten wir auch aus anderen Bereichen kurzfristig kompensieren“, sagt Joachim Fässler. Je nach Entwicklung der Lage würde man bei immer knapper werdenden Personalreserven versuchen, auf weitere ehrenamtliche Kräfte zurückzugreifen. „Die müssten dann aber von ihren Arbeitgebern freigestellt werden“, betont der Rettungsdienstchef. Um Engpässen bei der Materialbeschaffung entgegenzuwirken, habe man den umsichtigen Umgang mit Material festgelegt. Wer weiß, wann die Nachlieferungen kommen.

Bei Virus-Verdacht nicht den Notruf wählen

Angesichts einer sich möglicherweise zuspitzenden Lage ist den Rettern ein Punkt besonders wichtig: Wer den Verdacht einer Corona-Infektion hat, soll zunächst telefonisch mit dem Hausarzt oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst Kontakt aufnehmen. Auf keinen Fall sollen Betroffene auf eigene Faust direkt ins Krankenhaus gehen oder den Rettungsdienst alarmieren. „Ein solches Verhalten würde die Arbeit der Ambulanzen und den Rettungsdienst stark beeinträchtigen und überlasten“, warnt Fässler

Bleibt zu hoffen, dass dieses System weiter funktioniert. Sonst müssen sich die Menschen wohl an den Anblick von Rettern in Schutzanzügen, Masken und Brillen gewöhnen, die erst einmal Abstand halten.