Nikita Gorbunov wurde in Moskau geboren und im Zuge der Wende bis nach Stuttgart gespült. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Nikita Gorbunov, Stuttgarts Slam-Gesicht Nummer Eins, schüttet in einem neuen Lied sein Herz aus: Er schildert sein Aufwachsen im Kessel – mit teils wütenden Worten, aber mit ganz viel Liebe.

Stuttgart - Für die einen ist es die „Mutterstadt“, für die anderen die „1ste Liebe“: Stuttgart und seine Künstler verbindet eine besondere Beziehung. Manchmal fühlt sich diese auch an wie eine Hassliebe. Ein Beispiel dafür liefert der Stuttgarter Poetry-Slammer Nikita Gorbunov. Mit seinem neuen Lied „Niemand Anderes“ schüttet er sein Herz über das Leben und Aufwachsen im Kessel aus – manchmal mit wütenden Worten, aber immer mit ganz viel Gefühl.

In der Rap-Ballade lädt der Wortkünstler zu einem nostalgischen Spaziergang durch die Kesselstadt. Dabei dürfte echten Stuttgarter Lokalpatrioten allein bei den Bildern im Clip von Funkey Monkey Video Productions warm ums Herz werden. Im Vogelflug geht es über den Neckar und die beschaulichen Dächer der Schwabenmetropole, vorbei an den Hipstern auf dem Marienplatz, durch die schmuddelige Klett-Passage am Hauptbahnhof bis in die verruchten Eckkneipen der Stadt.

Mehr Hassliebe geht nicht

„In all meinen Liedern geht’s um mein eigenes Leben“, erzählt der Wortkünstler. „Das war mein beschissenes, wunderbares Aufwachsen im Kessel und ich will’s am Ende nicht anders gehabt haben“, sagt Gorbunov. Mehr Hassliebe und innere Zerrissenheit gegenüber dem eigenen Leben und der Heimat geht fast nicht: „Ich liebe Stuttgart total, aber ich hasse Stuttgart richtig hart, aber ich liebs halt auch.“

In den teilweise derben Versen im Lied kreist alles ums Erwachsenwerden und das Leben in der Stadt. „Manchmal frag ich, wieso sind die Nachbarn so stier, wieso ist meine Miete so hoch?“, heißt es beispielsweise in einer Strophe. „Warum bin ich nicht mit all den anderen peinlichen Fotzen nach Kreuzberg gezogen?“, geht es nicht weniger wütend weiter. Doch obwohl ein Leben „frei wie ’ne Kuh auf der Alb“ möglich wäre, gibt es eigentlich keine Alternative zu Stuttgart.

Denn aller innerer Zerrissenheit zum Trotz – die meiste Zeit kommt in den Zeilen eine große Stuttgart-Liebe zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn es fast schon melancholisch anmutend heißt: „Ich kam besoffen und taub aus der Röhre, ich traf ein so schönes Mädchen im Prag, hab mit ihr am Palast in den Scherben geküsst, bis die Liebe schon im Schocken zerbrach.“ Angst, dass ihm die Stuttgarter seine deutlichen Worte übel nehmen, hat Gorbunov nicht wirklich. „Der Schwabe, der sich die Welt in Messreihen schneidet, ist ja insgeheim voller masochistischer Liebe für seine Künstlerinnen und Künstler, die ihm immer sagen, wie whack er sei.“ Auf der anderen Seite könnten Künstler in Stuttgart wiederum drauf bauen, dass Eigenart zählt und Selbstwirksamkeit geachtet werde.

Mit der Wende bis nach Stuttgart gespült

Nikita Gorbunov wurde in Moskau geboren und im Zuge der Wende bis nach Stuttgart gespült. Nach Anfängen als Rapper zog ihn die aufkeimende „Poetry-Slam“-Szene immer mehr in den Bann. Heute veranstaltet und moderiert der gelernte Tontechniker gleich zwei Poetry-Slams pro Monat in Stuttgart und Esslingen. Gleichzeitig ist er 2008 Mitbegründer der Stuttgarter Lesebühne „7PS“ und ist seit 2012 ein Teil der Abend-Show „Gorbunov & Kienzler“.

Jeden ersten Dienstag im Monat kann man den Künstler live erleben bei „Gorbunov & Kienzler“ in der Schräglage, jeden dritten Donnerstag beim „Slam auf der Couch“ im Mitte.