Niki Pilic ist eine weltweit geachtete Trainerlegende im Tennissport. Das neue Daviscup-Format hält er für einen Skandal. Foto: AP/Darko Vojinovic

Niki Pilic ist eine Tennis-Legende. Insgesamt fünf Mal gewann er den Daviscup als Trainer und Berater. An dem neuen Format lässt er kein gutes Haar und übt scharfe Kritik an den aktuellen Superstars des Sports.

Stuttgart - Der Daviscup, der älteste Teamwettbewerb der Welt, wird in diesem Jahr erstmals als einwöchiges Turnier auf neutralem Boden ausgetragen. Für Niki Pilic immer noch ein Skandal.

Herr Pilic, vor einem Jahr kritisierten Sie in unserer Zeitung die Daviscup-Reform als „einen Skandal“. Wie stehen Sie heute zu Ihrer damaligen Einschätzung?

Ich fühle mich zu 100 Prozent bestätigt. Schauen Sie, da spielt in Madrid Kroatien gegen Russland um den Viertelfinaleinzug und es sind um die 100 Zuschauer in der Halle. Davon dürften 70 Kroaten und 20 Russen gewesen sein. Bei dem gleichen Duell waren 2005 in Split 8000 Zuschauer in der Halle und es war eine überragende Stimmung, die kein Beteiligter jemals vergessen wird.

Kann der Daviscup auf neutralem Boden nicht funktionieren?

Der Daviscup lebte immer von seiner speziellen Atmosphäre. Und Atmosphäre kann man sich eben nicht mit Geld kaufen. Bei den Matches von Spanien und Nadal fällt das in Madrid natürlich nicht so ins Gewicht. Das könnte die Gesamtbilanz, was die Zuschauerzahlen angeht, vielleicht retten. Wenn aber bei Kolumbien gegen Belgien 20 Zuschauer in der Halle sind, hat das mit dem Daviscup von früher nichts mehr zu tun. Da blutet mir das Herz.

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Hat auch die sportliche Bedeutung des Wettbewerbs gelitten?

Meiner Meinung nach, ja. Beispielsweise trat Kanada nicht mehr zum Doppel gegen die USA an, weil sie das Duell vorher entschieden hatten. Das hätte es früher nicht gegeben. Oder nehmen Sie das Doppel zwischen Italien und den USA. Die spielen bis vier Uhr in der Nacht um anschließend festzustellen, dass es beide Mannschaften nicht mehr in das Viertelfinale schaffen. Das kann doch nicht Sinn und Zweck sein.

Wie stehen Sie prinzipiell zu einer Daviscup-Reform?

Ich hätte mir vorstellen können, die Daviscup-Matches von fünf auf drei Gewinnsätze zu verkürzen. Es wäre auch möglich gewesen, den Daviscup in zwei statt wie früher in vier Wochen des Jahres auszutragen. Aber so wie es jetzt gemacht wurde, also auf einem neutralen Boden, hat das mit dem Daviscup nichts mehr zu tun. Ich bleibe dabei: Es ist ein Skandal, dass ein spanischer Fußball-Profi und ein japanischer Geschäftsmann (Fußballstar Gerard Piqué und der japanische Internet-Milliardär Hiroshi Mikitani als neue Macher, Anm. d. Red.) 120 Jahre Daviscup-Tradition kaputt machen konnten.

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Wie geht es weiter mit dem Daviscup?

Ich habe immer noch die Befürchtung, dass das Turnier in Zukunft in die USA geht, wo es dann endgültig zu einer reinen Show-Veranstaltung verkommt. Man darf nicht vergessen, dass es in Madrid einige ganz tolle Matches gegeben hat. Nur bekommt das mangels Zuschauerinteresse und wegen der fehlenden Atmosphäre fast keiner mit.

Apropos Show, Alexander Zverev spielt diese Woche nicht für Deutschland, weil ihm die Daviscup-Belastung am Saisonende zu groß sei. Nun spielt er stattdessen Showmatches mit Roger Federer in Argentinien. Ist das noch glaubwürdig?

Solche Aussagen sind für mich nichts anderes als Blabla. Die Jungs spielen heute noch 19 bis 20 Turniere im Jahr, früher stand man bei 30 bis 35 Turnieren auf dem Platz. Ich verstehe zwar, dass die Konkurrenz an der Weltspitze größer geworden ist. Aber das Jahr hat 52 Wochen – da bleibt genügend Zeit für die Regeneration. Wie so oft im Tennis hat das Geld leider den Charakter und das Verhalten der Spieler verändert und viel Schaden angerichtet. Anders lässt sich auch der Showkampf von Nadal und Djokovic für eine Diktatur in Kasachstan vor einigen Wochen nicht erklären.