Der 31-jährige Angeklagte verdeckt kurz vor der Urteilsverkündung sein Gesicht mit einem Aktenordner. Foto:  

Ein 31-Jähriger, der im September in Neuhausen eine Seniorin aus Habgier grausam ermordet hat, muss lebenslang ins Gefängnis. Sein Vorgehen war nach Ansicht des Gerichts derart brutal, dass seine Entlassung selbst nach 15 Jahren unwahrscheinlich ist.

Neuhausen - Der 31-Jährige, der im vergangenen September eine alte Frau auf grausame Weise getötet hat, um an deren Hab und Gut zu kommen, muss eine lebenslange Gefängnisstrafe wegen Mordes verbüßen. Ute Baisch, die Vorsitzende Richterin der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart, betont in ihrer Urteilsverkündung am Donnerstag zudem, die Schuld des Angeklagten „wiegt besonders schwer“. Für den Verurteilten ist das ein Zusatz mit großer Tragweite, denn damit ist seine Entlassung aus der Haft selbst nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen – auch dann, wenn die Prognose für sein weiteres Leben günstig sein sollte.

Nahezu regungslos hatte der 31-Jährige die zehn Verhandlungstage über sich ergehen lassen. Meist war sein Blick starr ins Leere gerichtet. Bei der Urteilsverkündung und -begründung sinkt er jedoch in sich zusammen, kämpft immer wieder gegen seine Tränen an, einige Male legt er seine Stirn auf der Tischplatte vor sich ab. Es ist, als würde ihm erst jetzt bei der nochmaligen Schilderung der Tat durch die Vorsitzende Ute Baisch bewusst, wie abscheulich und menschenverachtend er am Abend des 3. September vergangenen Jahres die gebrechliche Seniorin in deren Wohnung in Neuhausen umgebracht hat. Er wirkt, als wäre ihm erst jetzt mit dem Urteilsspruch klar geworden, dass er nicht nur das Leben seines Opfers, sondern auch das eigene und das seiner Familie zerstört hat.

Mit Hammer elf Mal zugeschlagen

Es hat sich im Laufe des Prozesses herausgestellt, dass er mit mindestens elf Hammerschlägen den Schädel der wehr- und arglosen Seniorin zertrümmert und ihr zudem mit zwei Messern noch dreimal wuchtig in den Hals gestochen hat, um sicherzugehen, dass sie nicht überlebt. Mit „besonderer Brutalität und Intensität, mit absolutem Vernichtungswillen“ hat er Baisch zufolge das Leben der 84-Jährigen ausgelöscht, in der Hoffnung, in deren Wohnung Beute machen zu können. Das stellte sich freilich als Trugschluss heraus, mit leeren Händen verließ er den Tatort, an dem er allerdings Spuren hinterließ, die ihn eindeutig als Täter identifizierten.

Dennoch leugnete er die Tat noch bis in den Prozess hinein. Erst in einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung gab er zu, die Frau getötet zu haben. Damit habe er sich zwar „zu seinem Handeln bekannt und die Verantwortung dafür übernommen“, sagt Ute Baisch. Doch die Behauptung, er habe nicht den Vorsatz gehabt zu töten und sei an jenem Abend in Panik geraten, weil die 84-Jährige wider Erwarten zu Hause gewesen sei, „stimmt einfach nicht“.

Er habe die Frau gekannt und gewusst, dass sie das Haus kaum noch verlasse – schon gar nicht abends. Schon in den Stunden vor der Tat, aber auch während und nach dieser habe er ein „gesteuertes und geplantes Vorgehen“ an den Tag gelegt. Seine Angabe, er sei von Drogendealern bedroht worden, denen er Geld aus Kokainkäufen schuldete, sei ebenso „unglaubhaft und widerlegt“, wie jene, ein Bekannter habe bei ihm Schulden eintreiben wollen, indem er damit gedroht habe, der Ehefrau des 31-Jährigen von dessen Seitensprung zu berichten. Beim Motiv der Tat sei es dem Angeklagten nicht darum gegangen, nach dem Raub Geldforderungen von verschiedenen Seiten nachkommen zu können.

Angeklagter wollte sein Gesicht nicht verlieren

Er habe einzig und allein sein Doppelleben vor seiner Familie, seinen Verwandten und Bekannten geheim halten wollen. Er habe unbedingt sein Gesicht als erfolgreicher Unternehmer und glücklicher Familienvater wahren wollen, obwohl er – über Jahre unbemerkt – mit seinem Kokainkonsum, seiner Spielsucht und Prostituiertenbesuchen einen gewaltigen Schuldenberg angehäuft hatte. Nichts hätte er schlimmer empfunden als die Tatsache, als vermeintlicher Versager zu gelten.

Mit Heimtücke, Habgier und der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers seien bei dem Raubmord gleich drei Mordmerkmale erfüllt, so Baisch. Die Art und Weise, wie er sein Opfer regelrecht „abgeschlachtet“ habe, weiche stark von dem ab, was Gerichte üblicherweise bei Tötungsdelikten zu beurteilen hätten. Er habe die hilflose Frau in deren Schutzbereich in einem wahren „Gewaltexzess mit Wechsel der Tatwaffen“ grausam ermordet und damit eine besonders schwere Schuld auf sich geladen. Das bringt ihn länger als 15 Jahre hinter Gitter, in der Regel werden zu dieser Strafe verurteilte Täter erst nach 18 bis 23 Jahren entlassen.

Der 31-Jährige ist voll schuldfähig

Bei der Tat sei er voll schuldfähig gewesen, so Baisch. Der Gerichtspsychiater Peter Winckler habe bei ihm lediglich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Zudem befremde es, wie sich der Angeklagte in den Stunden unmittelbar nach der Ermordung der Frau verhalten habe. Seine Freunde hätten ihn als „normal, wie immer“ beschrieben. Es werfe ein „bezeichnendes Licht auf die Person des Angeklagten“, mit welcher Gnadenlosigkeit er bei der Tat vorgegangen und mit welcher Gleichgültigkeit er nach dieser reagiert habe. Hätte man ihn nicht anhand der von ihm hinterlassenen Spuren so schnell festnehmen können, wäre er „auf dem besten Weg gewesen, in seinen normalen Alltag zurückzukehren“.