Auf eine große Zahl von Beratungen stellt sich die Wohngeldstelle ein. Foto: Stadt Ludwigsburg

Die Wohngeldreform verschafft deutlich mehr Ludwigsburgern als bisher etwas finanziellen Spielraum – aber der Verwaltung erst einmal massive Probleme.

Eigentlich sind die Erste Bürgermeisterin Renate Schmetz, Gesellschaftliche-Teilhabe-Fachbereichsleiter Raphael Dahler und Soziales-Abteilungsleiterin Claudia Haberzettel rundweg begeistert. Denn die Wohngeldreform, die im Januar 2023 greift, finden sie nicht nur richtig, sondern auch überfällig. „Man hat endlich erkannt, dass wir in Deutschland eine solche Kostensteigerung haben, dass es selbst für Mittelschicht-Haushalte fast nicht mehr zu bewältigen ist“, sagt Renate Schmetz. Von einkommensschwacheren Menschen ganz zu schweigen.

„Die gute Nachricht ist: Wir wissen seit wenigen Tagen, dass die Reform kommt“, betont Raphael Dahler. „Die schlechte Nachricht: Sie kommt in wenigen Tagen. Die Vorbereitungszeit für die Verwaltungen war deutlich zu kurz.“ Zwar erhalten bald deutlich mehr Menschen Wohngeld, doch sie werden sich etwas gedulden müssen, bis es ausbezahlt wird.

Alle reißen sich um Personal mit Expertise

Denn das Personal der Wohngeldstelle aufzustocken, ist extrem schwierig, „weil jetzt alle Kommunen zusätzliche Fachleute für diese Aufgabe suchen“, sagt Renate Schmetz. Mitarbeiter mit Expertise zu der komplexen Thematik seien aber ohnehin schon Mangelware: In die Bearbeitung der Anträge würden enorm viele Komponenten mit einfließen. „Wir haben sieben bestens ausgebildete Mitarbeiter in unsrer Wohngeldstelle, aber die sind auf 600 Haushalte ausgerichtet und nicht auf fast 2000“, so Schmetz. Wobei es noch gar nicht absehbar ist, ob es bei dieser Prognose des Bundes bleibt oder nicht noch mehr Berechtigte dazukommen. Bei der letzten Wohngeldreform habe die prognostizierte Zahl für den Bundesdurchschnitt gestimmt, „für Ludwigsburg war sie ,geht so’“, meint Raphael Dahler diplomatisch.

„Wir beobachten die politischen Debatten zum Wohngeld natürlich schon seit Monaten und haben im Oktober schon Stellen ausgeschrieben, da waren wir vergleichsweise früh dran“, berichtet Dahler. Trotzdem ist der Verwaltung jetzt schon klar, dass sie der Antragsflut erst einmal nicht Herr werden wird. Schon im November gingen rund 30 Prozent mehr Wohngeldanträge ein als üblich. „Wir wissen, dass wir am Anfang des Jahres in die Knie gehen werden, und wir können die Bürgerinnen und Bürger nur um Geduld bitten“, sagt Renate Schmetz.

Übergangsweise hat die Verwaltung Personal aus anderen Bereichen der Abteilung Soziales für die Entgegennahme der Anträge geschult und Weihnachtsurlaube zusammenstreichen müssen. Das Team aus der Wohngeldstelle gehe damit aber gut um: „Die Kollegen dort haben ein Herz für ihre Kunden, sie bekommen täglich hautnah mit, wie viele Menschen derzeit mit ihrem Geld schwer über die Runden kommen und wie dringend sie das Wohngeld brauchen“, sagt Renate Schmetz.

Das Gesetz ist da, die Software erst mal nicht

Als wäre die Personalsituation nicht schon vertrackt genug, wird das landesweite IT-System, mit dem das Wohngeld berechnet wird, voraussichtlich frühestens im März 2023 umgestellt, kann also vorher gar nicht genutzt werden. Auch deshalb müssen sich die Antragsteller in Geduld üben.„Wir hätten uns schon sehr gewünscht, dass die Software pünktlich zur Umstellung funktioniert“, sagt Raphael Dahler.

Trotzdem sei es wichtig, sagt Claudia Haberzettel, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die künftig einen Wohngeldanspruch haben werden, so früh wie möglich einen Antrag stellten – am besten noch vor Januar. Die Bearbeitung werde sich zwar voraussichtlich hinziehen, doch das Wohngeld werde dann rückwirkend bezahlt. „Aber es gibt das Geld auch rückwirkend erst für den Monat, in dem es beantragt wurde“, betont Haberzettel.

Weil sich die Stadt auf Warteschlangen einstellt, hat sie bereits ihren Aufenthaltsbereich vor der Wohngeldstelle in der Oberen Marktstraße schon einmal entsprechend ausgerüstet. Dort liegen jetzt schon Anträge und Umschläge auf Tischen aus. Beratungstermine werden nicht vergeben, weil keiner kalkulieren kann, wie lange einzelne Beratungen dauern. Das könne ganz kurz gehen, sich aber auch ziehen – je nach Fall, sagt Raphael Dahler.

Eine Menge Menschen rücken künftig in den Berechtigtenkreis für Wohngeld, die bisher keine Chance darauf hatten. Das liegt daran, dass der Zuschuss allgemein angehoben, eine Klimakomponente eingeführt und ein dauerhafter Heizkostenzuschuss gewährt wird. Aber auch daran, dass Ludwigsburg in der Mietenstufe, die ebenfalls zu den Berechnungsgrundlagen zählt, nach oben gestuft wurde.

Die Mietpreise sind jetzt realistischer einkalkuliert

Die Mietenstufen berücksichtigen das je nach Region beträchtlich variierende Mietniveau. Die sehr hohen Mietpreise in Ludwigsburg spiegeln sich künftig also realistischer bei der Wohngeldberechnung wieder. War Ludwigsburg bisher in der fünften von sieben Mietenstufe, liegt es jetzt in Stufe sechs. So bekommt künftig beispielsweise ein Paar mit zwei Kindern, das netto 2500 Euro verdient und 1300 Euro Kaltmiete zahlt, von Januar an 576 Euro Wohngeld statt wie bisher 130 Euro. Bisher werden in Ludwigsburg durchschnittlich 180 Euro Wohngeld pro Monat ausbezahlt, künftig werden es im Durchschnitt 370 Euro sein.

Haushalte, die schon Wohngeld erhalten, müssen übrigens keinen Neuantrag stellen. Sie bekommen die Erhöhung automatisch.

Entlastung für viele Haushalte

Mehr Geld
Drei Ludwigsburger Beispiele zeigen Auswirkungen der Reform: Ein Ein-Personen-Haushalt mit einer Nettorente von 1100 Euro und 590 Euro Miete (kalt) erhält aktuell 30 Euro Wohngeld, künftig aber 248 Euro. Eine Familie mit einem Kind, beide Eltern bekommen zusammen 1940 Euro Arbeitslosengeld und zahlen 800 Euro Miete (kalt) bekommen bisher kein Wohngeld, künftig aber 293 Euro. Das dritte Beispiel geht von zwei Erwachsenen und zwei kleinen Kindern, einem Netto-Einkommen von 2500 Euro und 1300 Euro Miete (kalt) aus. Die Familie bekommt jetzt 130, künftig 576 Euro Wohngeld.

Mehr Info
Die Wohngeldbehörde, Obere Marktstraße 1 in Ludwigsburg, ist per Mail (soziales@ludwigsburg.de) oder telefonisch (0 71 41 / 910 30 45) erreichbar