In der Tagesstätte Hundekörbchen kümmert sich Annette Lehmann liebevoll um ihre Schützlinge. Foto: factum/Granville

Das Kreistierheim in Böblingen hat eröffnet und die ersten Schützlinge sind schon umgezogen. Der Tierschutzverein steht nun aber vor einer finanziellen Herausforderung.

Böblingen - Tiere in Not haben im Kreis Böblingen eine neue Anlaufstelle: Das Kreistierheim hat nach knapp zwei Jahren Bauzeit eröffnet. 5,2 Millionen Euro hatte sich der Landkreis das Gebäude kosten lassen, das der Landrat Roland Bernhard als „eines der modernsten Tierheime in Deutschland“ lobt. Auch eine eigene Tierärztin soll sich um die Schützlinge kümmern. Allerdings herrscht zurzeit sowohl im großzügigen Außengehege als auch in den Zwingern noch gähnende Leere – und Stille. Erst sechs Hunde, sechs Katzen, acht Kaninchen und zwei Meerschweinchen sind vom Tierschutzverein in der Herrenberger Straße 204 auf die gegenüber liegende Straßenseite in den Neubau gezogen. Bisher hatte der Verein dort die Fundtiere im Auftrag des Landkreises und gegen Entgelt versorgt. In dem neuen kommunalen Tierheim übernimmt nun der Kreis diese Aufgabe.

In den Vereinsräumen gegenüber herrscht jedoch nach wie vor ein lebendiges Treiben. Hunde tollen in den frisch sanierten Räumen umher. Denn der Tierschutzverein wird weiter in direkter Nachbarschaft zum Tierheim existieren – aber mit neuen Aufgaben. „Viele Leute verstehen noch nicht, wer für was zuständig ist. Es ist ja auch verwirrend“, räumt Annette Lehmann ein, die im Vorstand des Tierschutzvereins ist. Denn wer online nach dem Tierheim sucht, findet bisher nur die Homepage des Tierschutzvereins. Aus diesem Grund landen die meisten Anfragen nach wie vor bei Annette Lehmann. Das mag auch daran liegen, dass die offizielle Eröffnung des kommunalen Tierheims erst im April geplant war, nach Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb des Landratsamts jedoch schon vorzeitig und etwas überstürzt mit dem Einzug der ersten Tiere verkündet wurde. Daher wollen sich auch Mitarbeiter und Kreistierheimsleitung noch nicht den Presseanfragen stellen.

Zwei Tierschutz-Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft

Dass es nun zwei Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft gibt, beruht auf Querelen zwischen Kreis und Verein in der Vergangenheit. Daraufhin wurde die Trennung beschlossen. Seitdem laufe die Zusammenarbeit wieder reibungslos, betonen beide Seiten. Dennoch wird künftig jeder seinen eigenen Aufgaben nachkommen. „Im Tierschutz gibt es genügend zu tun für uns alle“, versichert Lehmann.

Im Tierschutzverein halten nun Annette Lehmann, Anna Faix und Britta Leins das Zepter in der Hand – und sie haben gemeinsam mit ihren Mitarbeitern und Mitgliedern einiges vor. „Wir können uns um andere Tierschutz-Aufgaben kümmern, die bisher durch den Tierheim-Betrieb zu kurz kamen“, erklärt Faix. Außerdem bleiben bei ihnen einige Tiere, für die ein Umzug in das neue Tierheim unzumutbar gewesen wäre. So wie beispielsweise für die achtjährige Bullterrier-Hündin Butterfly, die bereits im Alter von sechs Monaten ins Tierheim kam und dort ihr Zuhause gefunden hat. „Wir wollen auch in Zukunft Tiere bei uns betreuen, die schwer vermittelbar sind und besondere Zuwendung brauchen“, sagt Faix. Klein, aber heimelig und familiär will der Tierschutzverein sein. Anders als das moderne Kreistierheim, in dem künftig 50 Hunde, 80 Katzen und 100 Kleintiere Platz finden werden.

Finanzielle Herausforderung für den Tierschutzverein

Doch der Tierschutzverein steht nun auch vor einer großen Herausforderung, denn mit dem Neuanfang fällt auch der Zuschuss des Kreises in Höhe von 30 000 Euro im Monat weg. Haupteinnahmequelle ist nun die Tagesstätte Hundekörbchen, um die sich seit einem Jahr vor allem Annette Lehmann kümmert. Unter der Woche betreut sie 14 bis 17 Hunde, deren Besitzer die Tiere nicht alleine daheim lassen wollen. Für bis zu 20 Hunde hat sie Platz im Hundehaus, dessen Zimmer mit unterschiedlichen Farbkonzepten und gemütlichen Sofas und Kissen eingerichtet sind.

Doch die Einnahmen aus der Hundepension reichen nicht: „Wir sind natürlich auf Spenden angewiesen und auf die Hilfe von Ehrenamtlichen“, sagt Faix. Auch Paten suche man händeringend, die sich ein bestimmtes Tier aussuchen und unterstützen können. „Bei uns ist jeder willkommen, der helfen möchte, egal in welchem Ausmaß“, versichert Faix. Sie und ihre Mitstreiterinnen wollen als erstes Projekt ältere Menschen unterstützen, damit diese ihr Haustier behalten können, wenn sie sich allein nicht mehr darum kümmern können. Ein weiteres Projekt ist das deutschlandweit einzigartige Taubenhospiz, das besonders Britta Leins am Herzen liegt. Auch eine Igel-Auffangstation soll entstehen und Aufklärung im Umgang mit Tieren in Schulen betrieben werden. „Wir wollen das Beste aus der Situation machen“, sagen die drei Frauen. Denn Ideen für den Tierschutz gehen ihnen nie aus.

Geschichte des Tierheims

Der Bau des Kreistierheims wurde Ende 2015 einstimmig im Kreistag beschlossen, doch auf dem Weg dahin gab es einige Herausforderungen. Da es sich bei dem Grundstück um die ehemalige Kreisautoverwertung handelt, haben Schrottaltlasten im Boden, zwei Bomben- und ein Granatenfund zu Mehrkosten in Höhe von rund einer Million Euro geführt.

Mit dem Kreistierheim wurde 2016 die erste Kommunalanstalt im Landkreis gegründet. Verwaltungsratsvorsitzender ist Landrat Roland Bernhard; die beiden Vorstände der Kommunalanstalt sind der Finanzdezernent Björn Hinck und der ehemalige Erste Landesbeamte Wolf Eisenmann.

Öffnungszeite:
Das Kreistierheim Böblingen ist in der Herrenberger Straße 210 zu finden. Es hat montags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr und samstags von 10 bis 12 Uhr geöffnet.