Stuttgart ist wegen der deutlich zu hohen Stickoxid-Belastung am Neckartor nicht von dem neuen Gesetz betroffen. Foto: imago

Es ist unklar, ob ein Gesetz der Koalition zur erhofften weniger strengen Auslegung von Abgasgrenzwerten führt, meint unser Berliner Korrespondent Christopher Ziedler.

Berlin - Juristen kennen das. Von wichtigen Gesetzen gibt es kommentierte Ausgaben, in denen schwer verständliche Paragrafen hinsichtlich ihrer praktischen Bedeutung ausgelegt werden. Ähnliches bringt nun die Berliner Regierungskoalition mit der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf den Weg. Da wird kein Stickoxid-Grenzwert verändert, weil das nur auf europäischer Ebene möglich ist, sondern eine Art Lesehilfe für Behörden und Gerichte vor Ort in Gesetzesform gegossen. „In der Regel“, so lautet die alles andere als gesetzestypische Festlegung, soll es keine Diesel-Fahrverbote geben, wenn die Abgasbelastung nicht mehr als zehn Mikrogramm über dem EU-Grenzwert von 40 liegt. Eine Sperrung von Straßenzügen oder ganzen Innenstädten wird dann „in der Regel unverhältnismäßig sein“.

Die Wirkung dieser „Klarstellung“, die die Koalition jetzt verabschieden will, ist deshalb unklar. Sicher werden Richter, die sich mit Klagen gegen Luftreinhaltepläne befassen müssen, das neue Gesetz mit in Betracht ziehen – insofern dürfen sich Dieselfahrer in weniger stark belasteten Städten durchaus Hoffnung machen. Andererseits bleiben Fahrverbote als letztes Mittel nicht ausgeschlossen – wie bisher auch. Beruhigungspille für die Bürger oder wichtige Reaktion auf die Dieselkrise? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus.