Luai Karman, Samek Zatoun und Yasin Karman in ihrer neuen WG. Foto: Michael Steinert

Mit einem neuen Wohnkonzept soll die Integration von Flüchtlingen schon in der Unterbringung gelingen.

Esslingen - Glauben Sie, dass der Flüchtlingsstrom abreißt?“ „Glauben Sie, dass die jemals wieder in ihr Heimatland zurückkehren?“ Die beiden älteren Männer sind aufgebracht. Die Sozialarbeiterin Viola Sidiropoulos hat bei dieser Führung durch das Esslinger Hoffnungshaus einen schweren Stand. Die Männer, die zum Tag der offenen Tür gekommen sind, bedrängen sie weiter. „Wo kommen die denn überhaupt her?“ „Aus Eritrea“ antwortet die junge Frau, „da herrscht ein Bürgerkrieg.“ Ruhig argumentiert Viola Sidiropoulos weiter für das Hoffnungshaus in der Flandernstraße, in dem 46 Personen untergebracht werden, davon 37 Flüchtlinge.

Ein Flüchtling kommt herein, ein kleiner Mann mit Vollbart. Ob er hier mal wohnen werde, wird er gefragt, er versteht die Frage nicht. Er lacht verlegen. Jetzt getrauen sich die Männer nicht mehr, etwas zu sagen, und gehen aus dem Zimmer, doch auf dem Gang schimpfen sie weiter. Drei sogenannte Hoffnungshäuser baut Esslingen für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, eines im Stadtteil Berkheim, eines auf dem Zollberg. Das in der Flandernstraße im Esslinger Norden ist schon fertig. Am Samstag war dort Tag der offenen Tür. In dem Haus gibt es drei Wohngemeinschaften von Flüchtlingen, eine für acht, eine für zehn und eine für zwölf Personen.

Darüber hinaus gibt es vier Wohnungen. In einer kommt eine siebenköpfige Familie aus Syrien unter, in zwei Wohnungen leben zwei einheimische Ehepaare und in einer vierten Wohnung soll eine Familie leben, die Barrierefreiheit braucht. Wenn sich niemand findet, dann werden auch darin Flüchtlinge unterkommen.

Die Männer getrauen sich nicht mehr, etwas zu sage

Die einheimischen Familien suchte der CVJM aus

Das Konzept, das die Stiftung Hoffnungsträger aus Leonberg zusammen mit der Stadt Esslingen verwirklicht, ist von Anfang an integrativ. Geflüchtete sollen mit Einheimischen in einem Haus leben und für einen Austausch der Kulturen sorgen. Die Familien, die sich das zutrauen, hat der Esslinger CVJM ausgesucht, der in Gestalt von Anthea Roth, eine halbe Sozialarbeiterstelle dafür geschaffen hat.

Ihr hilft Viola Sidiropoulos, die für alle drei Hoffnungshäuser in Esslingen zuständig ist. Seit zwei Jahren ist sie in der Flüchtlingsarbeit tätig, zunächst in der Erstunterbringung im Kreis Ludwigsburg. Im Vergleich zu damals sei die Arbeit bei der Stadt Esslingen personell viel besser ausgestattet, dennoch muss sie sich insgesamt um hundert Flüchtlinge kümmern.

Anfangs will sie zwei bis dreimal pro Woche hier vorbeischauen, um den Flüchtlingen zu helfen. Zunächst geht es um das Versorgen. Sie fragt Daten ab, schaut, was die Flüchtlinge brauchen – dazu zählt auch eine medizinische Versorgung für chronisch Kranke und Traumatisierte. In einem weiteren Schritt versucht sie, bei den Hauptproblemen aktiv zu werden, das ist vor allem der Familiennachzug, dann die Frage nach einer Ausbildung und nach einer Arbeitsstelle.

Anschließend geht es in die Integration. Die Sozialarbeiterin vermittelt Deutschkurse, weiterhin versucht sie, die Geflüchteten mit den ehrenamtlichen Helfern und den Vereinen der Stadt zu vernetzen, um sie am bürgerlichen Leben teilhaben zu lassen. Die Sprachbarriere umschifft sie mit Kreativität. Viele Flüchtlinge haben Freunde, die schon länger in Deutschland sind und für sie übersetzen können, auch wenn es manchmal nur über das Telefon geht. „Und manchmal reden wir eben mit Händen und Füßen“, sagt Viola Sidiropoulos.

Sie hat sich schon im Studium mit Flüchtlingsarbeit und Migration auseinandergesetzt, und auch ihre Bachelorarbeit darüber geschrieben. Als die Flüchtlingswelle einsetzte und Leute gesucht wurden, half Sidiropoulos sofort in Ludwigsburg aus. Sie beschäftigt sich mit Migration, weil sie sich für fremde Kulturen interessiert – und auch aus ihrer Überzeugung heraus, dass alle Menschen gleich sind.