Am Freitag öffnet die Kirche ihre Türen zum Marktplatz. Foto: factum/Granville

Die Kirche soll nicht länger nur Kulisse für Touristenfotos sein: Am Wochenende öffnet in Ludwigsburg das Haus „Markt 8“, ein Treff, mit dem die Protestanten wieder mit den Bürgern ins Gespräch kommen wollen.

Ludwigsburg - Hallo, es gibt uns noch! Die Evangelische Kirche will nicht länger nur als Kulisse für Touristenfotos am Marktplatz herhalten. Die Ludwigsburger Protestanten wollen sich auf die Menschen zubewegen und Räume für Gespräche, Spiele und Feste öffnen. Ganz konkret soll diese Botschaft mit dem umgebauten Dekanatssaal – dem neuen Markt 8 – verkündet werden. Jahrelang wurde daran gearbeitet, an diesem Wochenende werden die neuen Türen zum Marktplatz hin geöffnet. Mit Sekt, Musik, Kunst, Mitmachaktionen und einem philosophischen Espresso sagen Kirchenmitarbeiter drei Tage lang „Hallo, es gibt uns noch!“

„Ein Raum, der Raum gibt“ – so umschreibt Dekanatsreferentin Elke Dangelmaier-Vinçon den neuen Markt 8. „Unsere Gesellschaft sortiert Menschen, wir möchten sie zusammenbringen.“ Genau genommen handelt es sich um zwei Räume im Erdgeschoss des denkmalgeschützten Dekanatsgebäude an der Ecke zur Unteren Marktstraße. „Auch in der Gestaltung sind wir neue Wege gegangen“, sagt Dekan Winfried Speck. Was daher als Erstes auffällt: Da ist nichts, was an die klassische Anmutung von kirchlichen Gemeindesälen erinnert. Die Räume sind von der Innenarchitektin Ivonne Krehl und dem Künstler Andreas Furtwängler gestaltet worden.

Neue Strukturen für die Kirche

Auffallend im Zentrum des größeren Saales: Ein Tisch, der per Hydraulik so versenkt werden kann, dass er für Musiker oder Kleinkünstler zur Bühne werden kann. An der Decke darüber befindet sich ein Kombi-Element aus Leuchtstoffröhren und Lautsprechern. Helligkeit und Klangfarbe sind leicht aufeinander abzustimmen. Besondere Akzente hat die Kalligrafin Sigrid Artmann mit spielerischen Schriftzügen gesetzt, die die im Namen enthaltene Acht variieren – die Assoziationen reichen von Andacht über Macht und Liebesnacht bis hin zur Weihnacht.

Erste Überlegungen für Markt 8 gab es bereits 2015 – im Zuge der 2014 gestarteten Neustrukturierung der verschiedenen kirchlichen Einrichtungen. Was zuvor über die Stadt verstreut war, sollte am Marktplatz zusammenfinden. Unter anderem kamen so auch das Kreisbildungswerk mit der Diakonie und der Sozialstation unter dem Dach des Dekanats zusammen. Der besondere Clou aber sollte die Öffnung zum Marktplatz hin sein. Ein ähnliches Projekt hatte die katholische Kirche gegenüber kurz zuvor mit der Wunderbar gestartet: „Wir wollen aktiv an die Öffentlichkeit“, sagte der Citypfarrer Martin Wendte damals. „Wir wollen im kreativen und ernsten Spiel etwas miteinander entwickeln.“

Gute und schlechte Nachrichten

Wäre alles nach Plan gegangen, wären die Räume für die Begegnung schon Ende 2017 geöffnet worden. Zunächst aber hatte es böse Überraschungen bei der Sanierung des fast 300 Jahre alten, ehemaligen Geburtshauses von Justinus Kerner gegeben: morsche Dachbalken etwa oder verfaulte Bohlen unter dem Estrich. Schließlich hatte ein Dachstuhlbrand am 29. April vergangenen Jahres weitere Verzögerungen verursacht.

In der gleichen Zeit sind auch die Baukosten geklettert: Aus der anfänglich geschätzten Million sind 2,72 Millionen Euro geworden. Allein die Zusatzkosten am Dachstuhl beziffert Kirchenpfleger Lothar Rücker mit einer Million Euro. Das ist die schlechte Nachricht. Eine gute Nachricht kam dagegen aus Stuttgart: Nach längerer Verhandlung hat die Landeskirche das neue Projekt der Ludwigsburger für so gut befunden, dass sie nun bereit ist, eine Personalstelle zur Hälfte zu finanzieren. „Wir brauchen einen Koordinator für Markt 8“, erläutert Dangelmaier-Vinçon. Nur so sei es möglich, das Haus an möglichst vielen Tagen in der Woche und nach Möglichkeit auch dann, wenn es keine festen Programmangebote gibt, zu öffnen. „Jetzt konnten wir diese Stelle endlich ausschreiben“, sagt die Pfarrerin.

Ehreamtliche gesucht

Erst wenn diese Stelle besetzt sei, könne das Haus mit Leben erfüllt sein. Wesentlich zu dem neuen Projekt gehöre es, dass die Kirche nicht alle Angebote vorgibt. Grundsätzlich könne jeder an der Gestaltung mitwirken. Um das alles zu organisieren aber, brauche man noch viele Ehrenamtliche. „Nach denen werden wir suchen, wenn wir die Koordinationsstelle besetzt haben“, sagt Dangelmaier-Vinçon, „denn da müssen dann alle Fäden zusammenlaufen.“

Unabhängig davon aber wird am Wochenende erst einmal gefeiert: Die Tage der offenen Tür beginnen an diesem Freitag um 18 Uhr.

Gespräche und Aktionen

Eröffnung
Offiziell wird der Markt 8 am Freitag, 15. März, um 18 Uhr eröffnet. Unter den Festgästen wird neben dem OB Werner Spec auch die Prälatin Gabriele Arnold sein. Neben Musik- und Gesprächsangeboten für die Erwachsenen gibt es am Freitag und am Samstag (von 10 bis 16 Uhr) auch Mitmachaktionen. Dafür werden unter anderem Steine für den Bau einer kleinen Kathedrale bereitliegen. Am Samstag beginnt um 19.30 Uhr ein Theologischer Salon mit Musik und Gesprächen. Am Sonntag beginnt um 11 Uhr ein Festgottesdienst.

Partner
Am Projekt Markt 8 sind neben der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde auch die Citykirche, die Stadtkirchengemeinde, der Kreisdiakonieverband, das Kreisbildungswerk sowie das Jugendwerk/CVJM beteiligt.

Akteure
Um das Ganze wirklich lebendig zu machen, hofft die Kirche auf die Mitarbeit von Akteuren aus Kunst, Kultur und Stadtgesellschaft. Jeder könne eigene Impulse einbringen. Wer entsprechende Vorschläge unterbreiten möchte, sollte sich an das Citykirchenamt wenden oder seine Ideen per E-Mail kundtun an Kontakt@markt8.com.