Philipp Eißler und Joscha Brettschneider alias BRTHR posieren auf Fotos zu zweit, haben ihr Album aber mit Max Braun und Johann Polzer eingespielt. Foto: Promo / Luzie Marquardt

Die Stuttgarter Band BRTHR veröffentlicht ihr drittes Album: „High Times for Loners“. Das Release-Konzert im Merlin ist abgesagt – dafür bleibt umso mehr Zeit, diesen Longplayer genau anzuhören und mit den Musikern über ihren Lieblingssound zu sprechen.

Stuttgart - Mit dem letzten BRTHR-Albumverhielt es sich so, dass irgendwann das Internet sagte, man habe es jetzt oft genug gehört. Vor Veröffentlichungen verschicken Plattenfirmen gerne Links, unter denen Journalisten die Musik anhören können. Irgendjemand hatte in diesem Fall eine Höchstzahl von Durchläufen eingestellt. „A Different Kind of Light“ lief jedenfalls sehr lange in Dauerschleife.

Jetzt haben Philipp Eißler (Gitarre, Gesang) und Joscha Brettschneider (Gitarre) ein neues Album. Es nennt sich „High Times for Loners“ und ist wiederum ein heißer Kandidat für intensives Hören. Die elf Songs atmen weiter Folk und Soul und taugen wegen der ungemein entspannten Grundstimmung als perfekter Stimmungsaufheller an tristen Novembertagen. Gleichzeitig sind sie so virtuos und leichtfüßig eingespielt, dass auch Ganz-genau-Hinhörer ihre Freude haben.

Simple Gebrauchsmusik herzustellen ist nicht die Absicht der beiden Musiker sowie ihrer Mitstreiter Max Braun (Bass) und Johann Polzer (Schlagzeug). Vielmehr sei es darum gegangen, die Strukturen – und damit auch das eigene Spiel – ein wenig zu öffnen, erzählen die beiden im Corona-bedingt per Videokonferenz abgehaltenen Doppelinterview.

Möglich wird so eine Herangehensweise, weil Max Braun die Platte auch aufgenommen hat und somit viel Zeit für die Arbeit in Brauns Tonstudio am Stuttgarter Westbahnhof blieb. „Etliche Songs waren nur Skizzen, als wir ins Studio gingen“, erinnert sich der Gitarrist Joscha Brettschneider. Während der Aufnahmen habe man dann mit Braun und Polzer daran gearbeitet. Beim Song „Lonely Night“ habe beispielsweise der Schlagzeuger den Song einfach im 6/4-Takt gespielt. So wurde er letztlich aufgenommen, und „das sind so Ideen, auf die eben Drummer kommen“, scherzt Brettschneider.

Was als nerdige Plauderei von Popvirtuosen verstanden werden könnte, hat letztlich den Sound des Albums entscheidend geprägt. Auf der ersten Platte klapperte noch eine alte Schlagzeugmaschine dumpf unter vollständig ausformulierten Songs. Jetzt klingen BRTHR tatsächlich wie eine richtige Band – der man nur zu gerne beim Musizieren zuschauen würde, idealerweise im Rahmen eines Konzerts.

Releasekonzert abgesagt

Corona macht das unmöglich, das für diesen Samstag geplante und längst ausverkaufte Release-Konzert im Merlin ist abgesagt. So geht es im Corona-Jahr vielen Musikern. Eißler und Brettschneider wirken trotzdem ähnlich entspannt wie ihre Musik. Ein Teil der Aufnahmen fand nach dem ersten Lockdown statt, die erste Single war da schon veröffentlicht. „Da war alles schon auf dem Gleis, und wir wollten das Album dann normal herausbringen. Die Alternative wäre gewesen, das mindestens in den nächsten Sommer zu verschieben“, erzählen die Musiker. So lange habe man das fertige Album einfach nicht liegen lassen wollen.

Dass jetzt nicht nur das Konzert in der Heimatstadt, sondern auch die dazugehörige Tour abgesagt ist, schmerzt natürlich trotzdem – auch weil ein Album immer noch der beste Anlass für Livekonzerte ist. „Wir hätten auch einfach eine Single nach der anderen herausbringen können“, sagt Philipp Eißler, „aber das Albumformat macht halt uns einfach Spaß.“

Also Streaming?

Je nach Verlauf der Pandemie wird die Tour zu „High Times for Loners“ möglicherweise komplett entfallen und stattdessen eine weitere Aufnahme veröffentlicht. Ein online übertragenes Konzert kommt wegen des mittlerweile verglühten Streaming-Hypes eher nicht infrage. „Lieber veröffentlichen wir eine richtig gut aufgenommene Livesession“, finden die beiden. Lokale Vorbilder wären Sloe Paul oder die Band Mayla. Letztere präsentierte einen entsprechenden Film im Delphi-Kino, als das noch möglich war.

So bleibt fürs Erste nur, auch das neue BRTHR-Album möglichst oft anzuhören – und staunend zu fragen, wie die Band die Gleichzeitigkeit von zurückgelehnter Leichtigkeit bei absolut präzisem Spiel hinbekommt. Eißler und Brettschneider bedanken sich im Videointerview für das Lob und berichten, dass genau das der Sound ihrer musikalischen Vorbilder ist. Dazu zählen aktuell der New Yorker Liedermacher Sam Evian und die texanische Band Khruangbin, aber auch Joni Mitchell und Crosby, Stills, Nash & Young.

„Über unseren gemeinsamen Musikgeschmack haben wir ja auch als Band zusammengefunden“, erzählt Philipp Eißler. Spätestens jetzt ist klar: Etwas Besseres konnte der Stuttgarter Poplandschaft kaum passieren.