Am Freitag startet Thomas Doll gegen RB Leipzig in das Abenteuer Hannover 96. Foto: Getty

Mit seinem Optimismus will Thomas Doll den Tabellen-Vorletzten Hannover 96 anstecken. Ob ihm das nach so langer Bundesliga-Abstinenz gelingt?

Hannover - Die mediale Lupe, die wieder auf ihn gehalten wird, findet Thomas Doll ganz schön lästig. Jede Geste, jeder Spruch von ihm wird penibel gedeutet. Das trübt seine Vorfreude. „Ich lese hier in der Zeitung, was ich am Vortag alles auf dem Trainingsplatz gesagt habe. Das gefällt mir nicht“, sagt der neue Cheftrainer von Hannover 96. Natürlich wollen alle wissen: Wie tickt der Doll denn mittlerweile? Wie kann das mit ihm klappen nach mehr als zehn Jahren außerhalb der Bundesliga? „Ich bin für klare Sachen und klare Ansprachen“, sagt der 52-Jährige. Er soll Hannover 96 vor dem Abstieg retten. Einer wie Doll geht das pragmatisch an. Mit viel Schwung und positiver Energie. Möglichst simpel. So mag und kann er es.

Doll kommt wie ein Kumpeltyp daher

Der direkte Vergleich zu seinem Vorgänger ist gemein. Natürlich hat der mangels Erfolges gescheiterte André Breitenreiter auch viel mit seinen Profis gesprochen. Aber Doll kommt mit seiner Du-basierten Art doch eher wie ein Kumpeltyp daher. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt vor dem heutigen Heimspiel (Anpfiff 20.30 Uhr) gegen RB Leipzig trug der ehemalige Nationalspieler Ballonseide statt Maßanzug. Es steht nicht zu erwarten, dass seine Mannschaft wie bei Breitenreiter extrem viele Spielsysteme und taktische Varianten auswendig lernen muss. „Man sollte eine Mannschaft“, findet Doll, „nicht überfrachten.“ Sein Ansatz ist eher, die Jungs zu motivieren und zu stärken. Viel reinpacken: Dieser Ausdruck fällt immer wieder, wenn Doll mit weit aufgerissenen Augen von seinem Job erzählt. Seine langen Haare sind zurückgekämmt und finden mit Hilfe von Gel Halt. Doll tritt auf wie einer, der über das Wasser gehen kann. Das Dumme in Hannover ist: Bis zum rettenden Ufer ist der Weg echt weit.

Sein Vertrag gilt auch für die zweite Liga

Seinen hastig gepackten Reisekoffer hat er im Hotel gleich neben dem Stadion abgestellt. Doll fühlt sich in seiner Wahlheimat Budapest eigentlich sehr wohl. Seit dem vergangenen Herbst hat er dort viele Bundesligaspiele im Fernsehen geschaut und auf den Ruf eines neuen Arbeitgebers gewartet. Hannover 96 gehört unter der Führung von Präsident Martin Kind derzeit nicht gerade zu den harmonischsten Vereinen der Liga. „Aber die Stimmung in der Kabine ist gut. Jeder Spieler will sich beim Trainer empfehlen“, sagt Sportdirektor Horst Heldt. Er musste Breitenreiter auf uncharmante Weise so lange hinhalten, bis endlich eine Einigung mit Doll erzielt war. Vertrag bis 2020, gültig für die erste und zweite Liga – auf dieser Basis kehrt ein Mann in den deutschen Fußball zurück, der in der Heimat mehr als ein Jahrzehnt lang nicht wirklich stattgefunden hat. „Aber ich habe ein richtig gutes Gefühl. Das wird ein wunderbares Erlebnis“, meint Doll mit Blick auf sein Debüt gegen Leipzig.

Kopf hoch, Brust raus

Helft Euch gegenseitig. Kopf hoch, Brust raus. Tempo machen. Es klingt nach dem Grundkurs in positiver Ansprache und Motivation, was Doll seiner neuen Mannschaft zu sagen hat. Aber vielleicht ist genau dieser Ansatz richtig für einen Tabellenvorletzten, der in dieser Saison schon viele furchtbare Spiele hinter sich hat und dessen Entscheider deshalb ein paar merkwürdige Telefonate führen mussten. Auch Stefan Effenberg, Felix Magath und Mirko Slomka sollen in Hannover als neue Übungsleiter zur Debatte gestanden haben. Auf Doll, der mit dem ungarischen Verein Ferencváros Budapest fünf mehrheitlich erfolgreiche Jahre hatte und nur ein paar Monate lang arbeitslos war, sind die wenigsten Experten gekommen. In seiner Vita als Trainer sind tatsächlich genau jene Momente zu finden, in denen Doll innerhalb kürzester Zeit aus etwas Schlechtem deutlich Besseres gemacht hat. Das hat 2004 mit viel Euphorie beim Hamburger SV geklappt und drei Jahre später im Auftrag von Borussia Dortmund noch einmal. Aber lässt sich das nach einem Jahrzehnt, in dem sich der Profifußball rasant weiterentwickelt hat, einfach so reproduzieren? Einpeitscher Doll bejaht das. Mit dem Feuer, das er noch habe, könne er in jeder Liga der Welt Erfolg haben. Er trägt seinen Optimismus so demonstrativ vor sich her, dass es fast ansteckend ist.

Aus Hannover 96 ist fast über Nacht wieder ein selbstbewusster Verein geworden – im Kopf von Doll.