Der neue 911er soll gleichzeitig einen großen Schritt in die Zukunft machen und Elemente des Ur-Elfers von 1963 aufscheinen lassen. Foto: Porsche

Porsche holt bei der Vorstellung des neuesten 911ers in Los Angeles die bisherigen sieben Generationen dieses Sportwagens aus dem Museum.

Los Angeles - Das Porsche Experience Center in Los Angeles liegt am breiten San Diego Freeway, knapp eine halbe Stunde von Downtown L.A. entfernt – wenn kein Stau ist. Seit zwei Jahren können hier Autofans die Modelle des Stuttgarter Sportwagenbauers auf mehreren Teststrecken ausprobieren. Diesmal waren die Asphaltpisten indes für Besucher gesperrt, denn Porsche präsentierte am Vorabend der Messe L.A. Autoshow den neuen 911er. Die Weltpremiere glich einer Zeitreise. Neben der Neuauflage des Sportwagens rollten alle aus dem Stuttgarter Porsche-Museum ausgeliehenen bisherigen sieben Generationen dieses Dauerläufers an den beiden Tribünen vorbei, auf denen die Medienvertreter fröstelnd in der kalifornischen Nachtluft Platz genommen hatten.

Kalifornien ist der weltweit wichtigste Markt für den 911er. Mehr als ein Drittel der Sportwagen wird in diesem Bundesstaat verkauft, berichtet Vertriebschef Detlev von Platen. „Kalifornien ist fast unser zweites Zuhause“, sagt der Manager und erzählt von dem pfiffigen New Yorker Importeur, der schon in den Fünfzigerjahren Sportwagen der Stuttgarter in Kalifornien verkaufte, wo sie Hollywood-Stars ebenso gefielen wie Rennfahrern, und einen großen Hype auslösten, so von Platen. Porsche habe sich dort schnell etablieren können. Insgesamt verkaufe der Autobauer heute auf dem US-Markt so viele Autos wie noch nie.

Firmenchef Blume spricht von enger Bindung zum neuen 911er

Für Porsche-Chef Oliver Blume ist die Präsentation des neuen Sportwagens gleich eine doppelte Premiere. „Der neue 911er ist das erste Auto, das ich als Porsche-Chef vom ersten Federstrich bis zur Markteinführung komplett betreut habe. Dadurch habe ich eine sehr enge Bindung zu diesem Fahrzeug“, sagt Blume. „Ich stand immer im engen Austausch mit den Designern, wie wir die neue Generation gestalten – wie wir technische Eigenschaften integrieren und manuelle mit digitalen Elementen verbinden,“ berichtet der 50-Jährige. „Die Kunst bestand darin, dass der neue 911er einen großen Schritt in die Zukunft machen würde und man gleichzeitig den Ur-Elfer von 1963 darin wiedererkennen sollte. Genauso wie bei früheren Generationen, die jeweils den Zeitgeist widergespiegelt haben“, erläutert Blume.

Als Weltneuheit bezeichnet der Autobauer eine serienmäßig eingebaute Sicherheitstechnik, die erkennt, wenn Wasser auf der Straße steht und Aquaplaning droht. Dies melden Sensoren, die in den Radkästen eingebaut sind, woraufhin beispielsweise der elektronische Schleuderschutz besonders feinfühlig reagiert. Gegen Aufpreis gibt es erstmals einen Nachtsichtassistenten mit Wärmebildkamera. Neu sind zudem digitale Angebote wie etwa ein sogenannter „persönlicher Assistent“, der per Telefon oder über das Internet für Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stehen soll und für pauschal 99 Euro im Monat nicht nur einen Tisch im Restaurant bestellen, einen Kurzurlaub organisieren oder ein Geschenk besorgen, sondern auch mal eine Eintrittskarte für eine eigentlich schon ausverkaufte Veranstaltung beschaffen soll. Diesen Service erbringt ein kleines Team in Luxemburg, berichtet ein Porsche-Mitarbeiter bei der Premiere.

Meistverkaufte Modelle sind Geländewagen

Porsche-Chef Blume bezeichnet den 911er als wichtigstes Auto der Marke, obwohl das am Absatz gemessen nicht mehr stimmt. Diese Rolle haben Geländewagen übernommen: Vom Spitzenreiter Macan wurden im vergangenen Jahr fast 94 000 Exemplare verkauft. Auch der größere Bruder Cayenne lag mit fast 64 000 Wagen weit vor dem 911er, von dem knapp 32 200 Autos verkauft wurden. Dennoch hat der 911er nach Meinung des Porsche-Chefs eine herausragende Bedeutung. „Dieser Sportwagen ist die Ikone von Porsche und wird es auch in Zukunft bleiben“, sagt er. „Was der Elfer darstellt und technisch bietet, übertragen wir auf die anderen Baureihen. So bringen wir Technologie, die wir im Motorsport erprobt haben, auch in unseren Limousinen und SUV auf die Straße.“

„Der 911er steht heute so stark da wie nie zuvor, auch weil es uns gelungen ist, mit sehr motorsportnahen Fahrzeugen, den GT-Modellen, die Bandbreite zu vergrößern. Dadurch haben wir viele Fans hinzugewonnen“, sagt Blume. Insgesamt gibt es mittlerweile rund 20 Varianten des 911ers. Obwohl der Generationswechsel bevorstehe, habe der Absatz bis Oktober um 19 Prozent und in den USA um neun Prozent zugenommen, berichtet Vertriebschef von Platen. Allerdings gibt es bei manchen Varianten auch Lieferengpässe, weil das Unternehmen bei der Zertifizierung von Modellen nach dem neuen Abgasprüfverfahren WLTP sowie der seit September erforderlichen Ausstattung der Benzinmotoren mit Partikelfiltern hinterherhinkt.

Analyst bemängelt fehlende Elektro-Variante

Der Autoexperte Tim Urquhart vom Berater IHS Markit zeigt sich durchaus angetan vom neuen 911er. „Es sieht großartig aus und wird bestimmt ein Erfolg“, meint der Analyst. Etwas enttäuscht ist er gleichwohl. „Ich bin überrascht, dass es keine rein elektrisch angetriebene Variante geben wird“, sagt Urquhart. Es sei doch klar, dass der Verbrennungsmotor nicht der dominierende Antrieb bleiben werde. Porsche hätte beim 911er seiner Meinung nach die ganze Bandbreite anbieten können – vom Rennwagen mit Verbrenner bis zum reinen Elektroauto.

Der Porsche-Chef indes hält nichts von diesem Vorschlag. Blume weist darauf hin, dass der neue 911 bereits für einen Hybridantrieb konzipiert sei, zum Start komme er aber erst einmal als Benziner. „Wir sind im Moment dabei, die Batterietechnik noch weiter zu entwickeln“, begründet Blume die Zurückhaltung. Der Porsche-Chef hält auch nichts von Fahrzeugen, die es je nach Variante sowohl mit Verbrennungsmotor als auch mit rein elektrischem Antrieb gibt. „Wenn wir ein Fahrzeug rein elektrisch auslegen, muss es kompromisslos sein. So wie der Taycan: ein richtiger Porsche, der alle Vorzüge der Elektromobilität bietet“, so Blume.