Tatü-tata, wer strahlt denn da? Ben Bockemühl mit seinem Kommandowagen! Foto: factum/Weise

Nach langer Suche präsentiert die Stadt ihren Kommandanten für die Feuerwehr. Der Neue hat enorm viel Erfahrung, aber etwas Entscheidendes fehlt ihm. Deshalb muss er Ludwigsburg schon bald wieder verlassen.

Ludwigsburg - Den ersten Einsatz mit seiner Ludwigsburger Feuerwehr hat Ben Bockemühl schon hinter sich. Am vergangenen Dienstag, seinem zweiten Arbeitstag, ist Ben Bockemühl gleich mit ausgerückt. Bei der Total-Tankstelle in der Martin-Luther-Straße galt es, einen kleinen Wiesenbrand am Ausbreiten zu hindern. Es sei schön gewesen, zu sehen, dass bei dem Einsatz alles so funktionierte, wie es funktionieren soll, sagt Ben Bockemühl. Das ist insofern ein bemerkenswertes Fazit, weil Bockemühl der Mann ist, der die Feuerwehr leiten soll, was wiederum – wenn man sich die Schlagzeilen der vergangenen Monate vergegenwärtigt – kein ganz leichtes Unterfangen zu sein scheint. Konrad Seigfried jedoch, als Erster Bürgermeister der Stadt Bockemühls direkter Vorgesetzter, ist überzeugt, den Richtigen gefunden zu haben: „Mit Herrn Bockemühl haben wir einen Menschen gewonnen, der Feuerwehr atmet.“

Ein berühmt-berüchtigter Arbeitsplatz

Der so gelobte Ben Bockemühl ist 38 Jahre, stammt aus dem bayrischen Landkreis Aichach-Friedberg und ist Mitglied bei der Feuerwehr seit er zehn Jahre alt ist. Mit 19 wurde er Gruppenführer, nach dem Abitur war er eineinhalb Jahre bei der Feuerwehr im kalifornischen Freemont im Einsatz, später wurde er zum preisgekrönten Kreisjugendwart von Aichach-Friedberg und mit 30 dann zum Kreisbrandrat in seiner Heimat. Für dieses Amt hat er schließlich seinen Beruf als Hauptschullehrer aufgegeben. Vor eineinhalb Jahren wechselte er als hauptamtlicher Kommandant nach Villingen-Schwenningen – wo er nun von Ludwigsburg abgeworben wurde.

Ausgerechnet Ludwigsburg – hätte Bockemühl sich denken können. Jene Stadt, deren Feuerwehr der Präsident des Landesfeuerwehrverbands gar „Sorgenfeuerwehr“ nannte. Im Dezember 2016 war der damalige Kommandant nach einer Revolte der hauptamtlichen Abteilung abberufen worden. Und auch die ehrenamtlichen Abteilungen fielen negativ auf. Zwei jugendliche Mitglieder sind verurteilt worden, weil sie über Jahre hinweg Fehlalarme ausgelöst hatten. Und nicht zuletzt wurde auch der Verfasser eines anonymes Schreiben unter den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten vermutet. In diesem Brief wurde die Einsatzfähigkeit der hauptamtlichen Abteilung infrage gestellt.

Erst ein Headhunter beendet die Suche

Doch Ben Bockemühl schreckte dieses Bild nicht ab. Im Gegenteil: Er habe auf seine neue Stelle hingefiebert. Die Ludwigsburger Feuerwehr, sagt der neue Kommandant, funktioniere so gut, da brauche man auf „so alte Kamellen“ nicht viel geben. Und wenn es doch mal „schwierige Themen“ gebe, müsse man miteinander reden. Dann finde man Lösungen, sagt der Mann, der „brutal gerne mit Menschen arbeitet“. Und der auf die Stadträte so überzeugend gewirkt hat, dass sie ihn im Mai gewählt haben – obwohl ihm eine eigentlich wichtige Voraussetzung für das neue Amt fehlt: Die Qualifikation für den höheren Dienst.

Um die Kommandantenstelle attraktiver zu machen, hat die Stadt sie eigens aufgewertet. Der Kommandant ist nun zugleich Leiter seines eigenen Fachbereichs, steht in der Hierarchie also in der zweiten Reihe. Damit verbunden ist eine bessere Besoldung. Trotzdem hat die Stadt lange keinen geeigneten Kandidaten gefunden. Fast eineinhalb Jahre war die Spitzenposition vakant – bis ein Headhunter Ben Bockemühl ausfindig gemacht hat.

Weil dieser bis jetzt lediglich für den gehobenen Dienst qualifiziert ist, muss der neue Ludwigsburger Kommandant wieder in die Schule gehen. Im Institut der Feuerwehr in Münster holt er nach, was ihm noch fehlt. Die Ausbildung beginnt im April und dauert voraussichtlich ein Jahr. Erst dann rückt der dann frisch gebackene Oberbrandrat in die höhere Besoldungsstufe. Aus Sicht von Konrad Seigfried bringt Ben Bockemühl aber schon jetzt „eine Menge mit, um die Geschicke der Wehr und des Fachbereichs zu leiten“.

Vorfreude bei den Kameraden

Damit ist vor allem Bockemühls Erfahrung im Katastrophenschutz gemeint. Die soll er beim Ausbau des Bereichs Bevölkerungsschutz nutzen, den Ludwigsburg forciert. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung von Szenarien im Falle eines Trinkwasserausfalls oder beim Fund einer Fliegerbombe in der Innenstadt. Als Kreisbrandrat in Aichach-Friedberg gehörte dies zum Kernbereich Bockemühls, der auch ein berufsbegleitendes Studium zum Master of Disastermanagement absolviert hat. Schlagzeilenträchtig bewährt hat sich seine Arbeit im Mai 2015. Damals zerstörte ein Tornado über seinem Landkreis Hunderte Gebäude und löste eine sechs Tage währenden Einsatz mit 1500 Einsatzkräften aus.

Viele Pluspunkte brachte aber auch Bockemühls Erfahrung mit vielen Wehren. Als Kreisbrandrat war er zuständig für rund 4000 Leute, was ihn hinreichend sensibilisiert haben dürfte für den Umgang mit haupt- wie ehrenamtlichen Mitarbeitern. Ohne hohe soziale Kompetenz, Empathie und sehr gute kommunikative Fähigkeiten könne ein „sensibles Geflecht“ wie die Ludwigsburger Feuerwehr nicht geführt werden, ist Konrad Seigfried überzeugt.

Der erste Eindruck, den Bockemühl bei seinen neuen Mitarbeitern hinterlassen hat, klingt vielversprechend. „Ich habe ein gutes Gefühl“, sagt Hans-Peter Peifer, einer der beiden stellvertretenden Kommandaten. Und: „Ich freue mich richtig drauf!“

Eine Truppe, viele Aufgaben

Die Wehr
Die Ludwigsburger Feuerwehr verfügt über neun Abteilungen an sieben Standorten. Die hauptamtliche Abteilung teilt sich mit den beiden freiwilligen Innenstadtabteilungen die Feuerwache und Einsatzfahrzeuge in der Marienstraße, alle anderen Abteilungen sind ebenfalls freiwillig und sitzen in den Stadtteilen.

Der Fachbereich
Die neue Abteilung heißt Fachbereich Feuerwehr und Bevölkerungsschutz. Ihm zugeordnet sind 41 Stellen, die der Zahl der hauptamtlichen Feuerwehrleute entspricht. Zur Aufwertung des Fachbereichs gehört, dass er vier zusätzliche Stellen bekommt. Ehrenamtliche Mitglieder gibt es 254.

Die Schule
Das Institut der Feuerwehr in Münster ist eigenen Angaben zufolge die größte Feuerwehrausbildungsstätte in Deutschland. Zentral für alle Bundesländer wird dort die sogenannte Laufbahnprüfung für Anwärter für den höheren feuerwehrtechnischen Dienst durchgeführt.