VfB-Fan ist man nicht nur bei Sonnenschein, sagen die Gründer des Fanclubs, Helmut Wilhelm und Christoph Narr (r.), und bewahren sich ihre Laune auch an dunklen Tagen. Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Eine Gruppe unerschütterlicher Anhänger des Vereins für Bewegungsspiele Stuttgart hat in Stetten (Rems-Murr-Kreis) einen neuen Fanclub gegründet. Er nennt sich : „Leiden.schaf(f)t VfB“.

Sie halten die weiß-rote Fahne hoch, auch wenn’s mit dem VfB mal bergab geht. Sie sprechen mit leuchtenden Augen von ihrem Verein, selbst wenn der gerade im dunklen Tabellenkeller steckt: Platz 16 zur Winterpause, kurz vor Abstiegsrang, alles kein Thema für den Fanclub-Gründer Christoph Narr und seinen Spezi Helmut Wilhelm, zumindest kein großes. Das wird schon wieder, ist Narr überzeugt: „Als VfB-Fan muss man ein herausragender Verdrängungskünstler und ein hoffnungsloser Optimist sein“, sagt der 54-Jährige.

VfB-Fanclub hat knapp 50 Mitglieder

Weil er mit seinem Optimismus nicht alleine ist und die Liebe für den Verein tiefer als der Neckar und weiter als der Wasen ist, hat er vor einigen Wochen einen VfB-Fanclub ins Leben gerufen. „Davon, einen Fanclub zu gründen, sprechen wir schon seit drei Jahren. Jetzt haben wir das in die Tat umgesetzt.“ Spannend sei die Gründungsversammlung beim TV Stetten gelaufen, wo der Fanclub auch sein „Vereinsheim“ hat. „Wir wussten ja nicht, wie viele Leute überhaupt kommen.“ Dass es am Ende 17 waren, hat ihn ebenso gefreut, wie die Entwicklung, die der Club seither genommen hat: „Mittlerweile sind wir bei knapp 50 Mitgliedern.“

Die Dauerkarte fürs Stadion muss nicht sein

Willkommen sei jeder und jede, egal wie jung oder alt – Hauptsache, das Herz schlägt für die Mannschaft vom Wasen; vom Hardcore-Fan mit Dauerkarte, der in der Cannstatter Kurve mitsingt, bis zum Anhänger, der meist vor der Fernseher mitfiebert – Hauptsache sie sind tolerant und stehen mit den Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes, erklärt Narr. Sinn und Zweck sei das Gemeinschaftserlebnis VfB mit all seinen positiven Facetten: gemeinsame Stadionbesuche, Fahrten zu Auswärtsspielen, aber auch Besuche von Spielen der Frauen-Mannschaft, Ausflüge mit Einkehr und ähnliches. Es geht um das Miteinander, das seinen Höhepunkt freilich im Stadion haben kann.

„Allein zuhause jubeln oder mit 60 000 Fans im Stadion, das ist schon was anderes“, sagt Narr, der seine Dauerkarte schon seit 1984 hat und dabei etliche Höhen und Tiefen des VfB erlebt hat. Höhen wären mal wieder an der Zeit. Doch so richtig glücklich scheinen er und Helmut Wilhelm mit den Entscheidungen der Vereinsführung nicht zu sein: „Da herrscht das Chaos“, finden nicht nur die beiden: alter Trainer weg, Interimstrainer weg, Sportdirektor weg. „Wir streiten uns mit Hertha, dem HSV und Schalke gerade, wer sich am Lächerlichsten macht – wenigstens da ist der VfB weit vorn“, sagt Wilhelm mit bittersüßem Unterton. Dass ausgerechnet Bruno Labbadia zum Trainer auserkoren wurde, können die beiden zwar nachvollziehen („Da regiert die Angst in der Führungsebene“), so richtig gut finden sie die Entscheidung von VfB-Boss Alexander Wehrle aber nicht. „Ich hätte Trainer Mattarazzo länger behalten“, sagt Wilhelm. In keinem Fall stünde Labbadia für den „jungen wilden Weg des VfB“. Diesen beizubehalten hätte sich auch Narr gewünscht.

Was bringt der neue Trainer beim VfB Stuttgart?

Engagement und Akribie wolle sie dem neuen Coach nicht absprechen. „Der setzt eher auf erfahrene Spieler als auf den Nachwuchs“, sagt Narr. „Mit Labbadia dreht man die Entwicklung um, die der VfB genommen hatte.“ Die hätte mehr Zeit gebraucht. Was es nach Meinung der beiden Fanclub-Vorstandsmitglieder auf keinen Fall gebraucht hätte: einen zweieinhalb Jahresvertrag für den neuen Trainer. „Warum der Vertrag so lange laufen muss, ist mir ein Rätsel“, sagt Narr. „Das geht gar nicht.“ Und ein bisschen fürchtet er das kommenden Frühjahr und den möglichen Kampf gegen den Abstieg. „Wenn der VfB verliert, kann mich das wieder um den Schlaf bringen.“

Da sind sie wieder: das Leiden und die Leidenschaft, von der auch im Fanclub-Namen die Rede ist: „Leiden.schaf(f)t VfB“ – diesen Clubnamen habe sich ein Freund ausgedacht. Und die Doppeldeutigkeit sei derzeit leider mal wieder Programm. Doch Fan sei man eben nicht nur, wenn es geschmeidig läuft, Fan sei man an dunkleren Tagen.

Die WM boykottieren ist ok, aber den VfB?

Und wenn es ganz schlimm kommt, dann ziehen die Fans auch mal besondere Konsequenzen: Die Fußball-WM in Katar etwa haben Christoph Narr und Helmut Wilhelm nämlich komplett boykottiert. „Wir haben uns kein Spiel angeschaut, sagt Helmut Wilhelm. „Auch nicht als die deutsche Nationalmannschaft noch dabei war.“ Aber ein Spiel ihres VfB Stuttgart zu boykottieren – das, da sind sich die beiden einig – das ginge dann doch zu weit.