Der Kelterbrunnen stand im Jahr 1904 noch an seiner wohl ursprünglichen Stelle in Kallenberg – inzwischen ist er nach Münchingen versetzt worden. Foto: privat

Ein neues Geschichtsheft befasst sich mit der Vergangenheit und Gegenwart von Korntal-Münchingens kleinstem Stadtteil Kallenberg samt Müllerheim. Er erklärt auch, warum viele dort trotz des Lärms von der B 10 gerne leben.

Korntal-Münchingen - Um ein Haar wären die heutigen Kallenberger gar keine Kallenberger gewesen, sondern Stuttgarter. Wäre es nach dem Willen der Landeshauptstadt gegangen, wäre die Stadtgrenze erst an der Autobahn gezogen worden. „Das wurde aber verhindert“, sagt Ewald Gaukel. Der zweite Vorsitzende des Münchinger Heimatvereins hat jetzt zusammen mit weiteren Autoren aus der Stadt einen neuen Band der „Münchinger Geschichten“ herausgebracht. Darin geht es speziell um die Entstehung des kleinsten Stadtteils Kallenberg samt Müllerheim – und was das Leben dort ausmacht.

In vielerlei Hinsicht, das geht aus dem Band hervor, ist in Kallenberg einiges anders als in den beiden größeren – und prominenteren – Stadtteilen. Kallenberg ist der jüngste Stadtteil, der erst mit dem Bau der Emmauskirche 1956 ein architektonisches Zentrum bekam. Eine Schule gibt es auch heute nicht, auf Strom, Wasserversorgung und Kanalisation mussten die Kallenberger einst lange warten. Und zuvor war eine Kelter lange das einzige Gebäude im Ort – über Jahrhunderte wurde in den Hanglagen Wein angebaut. Später sank die Bedeutungs des Weinbaus rapide. Den Kelterbrunnen gibt es noch heute, allerdings steht er nicht mehr in Kallenberg, sondern am Münchinger Schloss.

Ein Gasthaus für die Fuhrleute

Vor allem mit dem Ausbau der alten Landesstraße, der heutigen B 10, wuchs die Bevölkerung. Gaststätten, Gärtnereien und einige Industriebetriebe siedelten sich an. Auch Müllerheim ist wegen der Landesstraße entstanden; Gottlieb Müller hatte 1904 dort sein „Müllerheim“ gebaut, um Fuhrleute und Passanten zu bewirten. Die Gemeinde, die viele Grundstücke besaß, verkaufte auch an Gewerbetreibende. So kam als eine der ersten Firmen die Lackfabrik Votteler nach Kallenberg. Mit der Entwicklung des Ortes ist das Unternehmen eng verknüpft; der erste Gottesdienst fand an Weihnachten 1951 in der betrieblichen Mensa statt, später stiftete die Firma die Glocken. Der Platz, an dem die Kirche steht, ist nach Votteler benannt.

In den 1950er Jahren „kam Leben in die fast einsame Gegend“, wie es im Band heißt. Land war billig, weil es als landwirtschaftliche Fläche quasi wertlos war. Auch viele Vertriebene fanden in Kallenberg eine neue Heimat. Heute, so berichten es die Autoren, sei das Zusammenleben „der Nationen und Kulturen“ gut. Das ursprünglich aus der kleinen Anzahl an Einwohnern resultierende Zusammengehörigkeitsgefühl ist laut Messner „noch heute zu spüren“. Die Kallenberger treffen sich beim Kinder- und beim Brunnenfest. Und die Kirche ist ein Ort, an dem nicht nur Protestanten willkommen sind, sondern auch Anhänger anderer Konfessionen und Konfessionslose. Viele Kallenberger, so berichten es die Autoren, seien stolz darauf, Kallenberger zu sein. Wenn er in Korntal oder Münchingen erzähle, dass er aus Kallenberg sei, sagt etwa Wolfgang Messner, seien viele konsterniert, „dass man dort wohnen kann“. Messner berichtet dann vom angenehmen Leben „hinter der Mauer“ – gemeint ist die Lärmschutzwand, die den Krach der B 10 fernhalten soll.

„Ein bisschen“, sagt Messner, „fühlen wir uns wie im gallischen Dorf, wie in Klein-Kallenbergum.“ Und der Lärm schweiße zusammen. Während in der Stadt mitunter eine starke Kluft herrsche zwischen den Korntalern und den Münchingern, sei Kallenberg neutral, ein Ort, der sowohl städtisch als auch landwirtschaftlich geprägt ist. „Bei den Ressentiments“, sagt Messner, „sind wir außen vor.“