Das Neubaugebiet auf dem früheren Areal des Olgahospitals: Hier gibt es 191 Wohnungen pro Hektar Fläche. In diese Richtung wird es künftig vielleicht immer öfter gehen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In den innerstädtischen Lagen von Stuttgart werden geeignete Flächen für Wohnungsbau stetig rarer. Und das Bauen am Siedlungsrand wird immer mehr ein Thema – ebenso eine größere Baudichte. Jetzt haben die Stadträte und OB Fritz Kuhn beraten, wie es weitergehen soll.

Stuttgart - Die möglichen Wohnbauflächen in Stuttgart nehmen leicht ab. In der soeben aktualisierten Übersichtsliste der Stadtverwaltung, Zeitstufenliste Wohnen 2018 genannt, sind noch 162 Bauflächen mit insgesamt 238,9 Hektar verzeichnet, die 20 444 Wohnungen ermöglichen könnten. Dazu kommen 2750 Einheiten auf Kleingrundstücken und in Baulücken. Unterm Strich sind es rund 23 200. Die Vorgängerliste vor zwei Jahren hatte 23 993 Einheiten plus 1000 auf Baulücken ausgewiesen. Dennoch könne man noch elf Jahre die von OB Fritz Kuhn (Grüne) angestrebte Rate von 1800 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr und sogar die Bedarfsprognose der städtischen Statistiker – 2000 Wohnungen pro Jahr – erfüllen, so die Verwaltung.

Obwohl man viel tue und mit jedem realisierten Gebiet die Potenziale schwinden würden, erklärte Kuhn am Dienstag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik: „Im Außenbereich fett zu bauen geht nicht.“ Das habe er schon früher gesagt. Inzwischen habe man viele Debatten über Luftqualität und Klimawandel geführt. „Jetzt wäre es skurril, wollte man großflächiges Bauen auf dem Acker“, so Kuhn. Der Disput mit den Gruppierungen, die auf mehr Bauen dringen, fiel dann im Ausschuss aber gar nicht so scharf aus.

OB Kuhn verlangt Klarheit von der SPD

Die Verwaltung will in den nächsten Wochen noch detaillierter die drei Szenarien erläutern, die sie zur Wahl stellte. Das eine Szenario wäre der Stopp des Wohnungsbaus, wenn die jetzt aufgelisteten Bauflächen erschöpft sind. Das zweite wäre „verstärkter Wohnungsbau“ auf klassischen Außenflächen, was aber die Änderung des Flächennutzungsplans und „Eingriffe in Frischluftschneisen und Erholungsflächen“ bedeuten würde. Und das dritte, von der Verwaltung empfohlene Szenario: die gezielte Suche und Bebauung der Potenziale im Innenbereich, also in Ortslagen und auf Brachen. Dabei, so Umwelt- und Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), wären gewisse Arrondierungen am Siedlungsrand enthalten.

Zum massiven Bauen im Außenbereich bekannte sich keine Gruppierung. Am weitesten ging noch die SPD, die Kuhn mit ihrer Werbung im Kommunalwahlkampf – 30 000 neue Wohnungen – konfrontierte: Sie solle sagen, wo sie noch einmal 8000 Wohnungen mehr hinstellen wolle, forderte Kuhn. Sie könne nicht 30 000 hinschreiben, die nötigen Bauflächen nicht nennen und „nur sagen, es geht, wenn man wirklich will“. Daraufhin sagte Fraktionschef Martin Körner, dem vor Jahrzehnten diskutierten Großprojekt Viesenhäuser Hof stehe er „sehr skeptisch“ gegenüber, einer Bebauung auf dem Birkacher Feld und in Hausen „weniger skeptisch“. Im Übrigen könne eine Grünanlage in einem Neubauviertel ökologisch sinnvoller sein als ein Acker. Man solle gemeinsam eine „behutsame Außenentwicklung“ angehen. Außerdem werde die Innenentwicklung noch nicht richtig umgesetzt. Die Verwaltung sei in diesem Bereich schlecht organisiert. Die Zuständigkeiten seien zu sehr aufgesplittet. Der CDU, den Freien Wählern und der FDP gefiel der Ansatz der SPD. Auch Deborah Köngeter (Stadtisten) mochte persönlich das Bauen im Außenbereich „nicht 100-prozentig ausschließen“, falls das Konzept gut und nachhaltig sei. Die CDU betonte, sie kündige nicht den Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung auf. Carl-Christian Vetter forderte von der Verwaltung, fünf Arrondierungsgebiete wie das Schafhaus in Mühlhausen vorzuschlagen.

Die Linke fordert eine „kluge Urbanisierung“

Grünen-Stadträtin Beate Schiener dagegen meinte, die Innenentwicklung habe noch so viel Potenzial, „dass wir nicht wissen, warum wir unsere Felder bebauen sollten“. Für das Linksbündnis verlangte Christoph Ozasek die „kluge Urbanisierung“ Stuttgarts. Ziel müsse es sein, dass es auf einem Hektar im Schnitt 120 bis 150 Wohnungen gibt – momentan sind es 85,6. Leider, sagten Kuhn und Pätzold, werde die Verdichtung von den Stuttgartern oft abgelehnt nach dem Motto: „Nicht in meinem Hintergarten“. Im Rathaus möchte Kuhn einen neuen Konsens, mit dem der bisherige Kurs – Vorrang der Innenentwicklung – nur vorsichtig durch Maßnahmen wie in Mühlhausen verändert wird.