Mit Lärm verbunden: Ein Start am Flughafen Stuttgart. Foto: 7aktuell.de/Max Kurrer

Die Stuttgarter Flughafengesellschaft veröffentlicht mehr Daten zum Fluglärm. Die sind für viele Anwohner in der näheren und weiteren Umgebung interessant. Werden sie womöglich die Beschwerden über Krach befeuern?

Stuttgart - Das Internet macht es möglich: Dort kann man auf verschiedenen Seiten Flugzeugbewegungen in Echtzeit beobachten und Flugwege nachvollziehen. Was den Flughafen Stuttgart angeht, gibt es nun eine weitere Möglichkeit, auf der Landkarte nicht nur startende und landende Maschinen zu verfolgen, sondern auch festzustellen, wie nah sie der eigenen Wohnung sind. Seit Dienstag stellt der Landesflughafen nämlich auf seiner Webseite Livedaten über die Abstände der Flugzeuge zu Wohnorten zur Verfügung. Dort finden sich auch Angaben über die Schallimmissionen im Umfeld der Start-und-Lande-Bahn sowie in den An- und Abflugkorridoren. Unter der Adresse www.stuttgart-airport.com/travis wird man fündig.

Hier gelangen Sie zur multimedialen Reportage über den Stuttgarter Flughafen:

TraVis ist das Kürzel für das Computerprogramm Track Visualisation, das die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) eingekauft hat, um wie andere Flughäfen die Lärmdaten darstellen zu können. Betrachter im Internet bekommen Flugzeugsymbole zu sehen, die sich bewegen, blau dargestellte Flugwege der landenden Maschinen und rote Flugwege der startenden Jets. Wer die Darstellung anpasst, bekommt auch Angaben zur Flughöhe und zur Geschwindigkeit, zum Abflug- oder Zielort.

Echtzeitdaten von neun Messstellen

Den größten Nutzen für Flughafenanrainer dürfte eine andere Option haben: Auf der Landkarte kann man ein Haussymbol auf seine Wohngegend ziehen – und wenn man dann ein Flugzeugsymbol anklickt, wird die direkte Entfernung der Maschine zwischen ihr und der Wohnung angezeigt. Das ist beispielsweise für all jene hilfreich, die gern nachweisen möchten, dass sie von Fluglärm gestört wurden, weil ein Flugzeug auf Abwege geraten und ihrer Wohnung zu nahe gekommen ist.

Live kann man überdies nachvollziehen, wie zum Start rollende, startende oder landende Flugzeuge sich an den neun Außenmessstellen des Flughafens bei Plochingen, Berkheim, Denkendorf, Neuhausen, Scharnhausen, Bernhausen, Echterdingen, Stetten und Steinenbronn auswirken. Dabei werden mehr oder weniger drastische Schallwerte angezeigt, die kurzfristig erreicht werden, wenn die Maschinen die Messstellen passieren oder überfliegen. Die Werte klettern für kurze Zeit schnell mal auf 70 oder noch deutlich mehr Dezibel. Zudem kann man Diagramme über den Messverlauf an den Stationen entfalten. Die diversen Informationen biete Travis auch nicht bloß aktuell, sondern bis zu zwei Monate rückwirkend, berichtet die FSG.

Spitzenschallpegel von 90 Dezibel und mehr

„Mit TraVis wollen wir für die Anwohner des Flughafens maximale Transparenz bei den Fluglärmimmissionen schaffen und es für sie so einfach wie möglich machen, sich zu informieren“, sagt Walter Schoefer, Sprecher der Geschäftsführung. Das neue Programm ergänzt bisherige Informationswege, vor allem die Monatsberichte der Flughafengesellschaft über den Fluglärm, die ebenfalls im Internet bereitgestellt werden.

Ein Beispiel: Aus dem Bericht für Juli 2019 geht hervor, dass bei Bernhausen Maximalschallpegel von bis zu 92,4 Dezibel ermittelt wurden, an der Messstelle Steinenbronn bis zu 87,4 Dezibel. Was das bedeutet, wird in der Travis-Darstellung nicht unbedingt deutlich, in den monatlichen Lärmberichten eher. Dort nennt die FSG Vergleiche: Ein Presslufthammer verursache in sieben Metern Entfernung einen Maximalschallpegel von 100 Dezibel. Ein Güterzug, der 100 Kilometer pro Stunde schnell ist, wirke sich in 25 Meter Entfernung mit 90 Dezibel aus, ebenso ein schwerer Lkw mit 75 km/h Geschwindigkeit in knapp acht Metern Entfernung oder ein Flugzeug vom Typ B747-400, Jumbo genannt, das in 300 Meter Höhe fliegt.

Bis Mittwochmittag hatte die FSG noch keine Reaktionen auf das neue Angebot. Dafür war es zu früh. „Von anderen Flughafenbetreibern haben wir aber gehört, dass das Angebot im dortigen Umfeld geschätzt wird und es zu einer sachlicheren Diskussion über Fluglärm beiträgt“, sagt Flughafensprecherin Beate Schleicher. Man habe nur begrenzte Mittel, den Fluglärm zu beeinflussen, heißt es bei der FSG. Eines ist die Entgeltordnung, wonach seit Juli besonders laute Maschinen mit höheren Gebühren belegt werden, um die Airlines zum Einsatz leiserer Flugzeuge zu bewegen.

Lärmschutzbeauftragter bleibt im Blickpunkt

Anwohner, die von Fluglärm gestört werden, rufen sehr häufig den Lärmschutzbeauftragten des Regierungspräsidiums Stuttgart für den Flughafen (Telefonnummer 07 11 / 948 - 4711) zu Hilfe und versuchen auch Sanktionen gegen Airlines zu erwirken, wenn Piloten die vorgegebenen Flugkorridore verlassen haben. Sanktionen sind aber recht selten. Das liegt auch daran, dass Piloten aus Sicherheitsgründen bei risikoreichen Wetterlagen manchmal den Kurs ändern müssen.

Ob der Lärmschutzbeauftragte Klaus Peter Siefer nun weniger oder mehr Arbeit haben wird, ist ungewiss. Eine Pressesprecherin des Regierungspräsidiums sagte am Mittwoch unserer Zeitung: „Eine Entlastung des Lärmschutzbeauftragten in Bezug auf die Beschwerden ist aktuell nicht zu erwarten.“ Zwar könnte sich die Zahl der Beschwerden bei Siefer verringern, weil die Bevölkerung durch TraVis ausreichend Informationen erhalte. Anderseits könnten diese Informationen auch Missverständnisse und Rückschlüsse auslösen, die Beschwerden nach sich ziehen.