Die Künstler der Show „Servus, Grüezi und Hallo“ sorgen im Friedrichsbau Varieté für Wasenstimmung. Foto: Oliver Willikonsky/Lichtgut

Das Friedrichsbau Varieté feiert den 200. Geburtstag des Stuttgarter Volksfests mit der Show „Servus, Grüezi und Hallo“. Selbst Volksfestmuffeln bietet sich nach anfänglichem Schock ein famoser Abend mit großen Künstlern.

Stuttgart - Der Schwabe ist ein seltsames Wesen. Am Wochenende geht er ins Stadion und spottet den Bayern, fordert singend dazu auf, ihnen die Lederhosen auszuziehen. Sobald aber der Herbst naht, schmeißt er sich in bayrische Tracht respektive Dirndl und spaziert auf den Cannstatter Wasen. Genauer: Aufs Volksfest, das erstmals vor genau 200 Jahren gefeiert wurde. Anlässlich dieses Jubiläums ist das Friedrichsbau Varieté am Freitag mit der Show „Servus, Grüezi und Hallo“ in die neue Spielzeit gestartet.

Auch „Volksfestmuffel“, so hieß es, würden an der Regiearbeit von Ralph Sun ihre Freude haben. Dennoch skeptisch betritt der Volksfestmuffel das Varieté am Pragsattel, wo mancher Gast Lederhosen trägt und man aus den Boxen schon vor Showbeginn „Oans, zwoa, gsuffa!“ vernimmt. Auweia. Auch das gelungene, detailreiche Bühnenbild beäugt er kritisch: Links ein Zuckerwattestand, daneben gibt’s gebrannte Mandeln und Magenbrot, rechterhand ein paar Schrannen sowie Bierfässer samt Krügen.

Als dann die bajuwarische Conférencière Sandy Beach auf die Bühne stampft und den Schlager „Rock mi heut Nacht“ anstimmt, scheint der Abend schon gelaufen. Willkommen im Musikantenstadl. Doch tatsächlich: Nachdem sich der Anfangsschock gelegt hat, entpuppt sich „Servus, Grüezi und Hallo“ als ein famoses Varietéprogramm mit Künstlern auf sehr hohem Niveau.

Gut, dass alles klappt

Da wäre zum Beispiel Philipp Tigris: Der Kontorsionist nimmt unglaubliche Posen ein. Sein Unterkörper scheint gänzlich unabhängig von seinem Oberkörper. Auch der Equilibrist Armando Liazeed macht Staunen: Neben klassischen ein- und zweihändigen Gleichgewichtsübungen springt der Kubaner lediglich auf seinem Kopf balancierend - ohne Hände oder Füße - einen Barren entlang. Womöglich dröhnt der Schädel am nächsten Tag wie nach einem bierseligen Wasenbesuch.

Kettenkarussellgleich rotiert das ukrainische Duo Alex und Anna: Beide wirbeln auf Rollschuhen über die Bühne, er schleudert sie herum. Gut, dass alles klappt und keiner loslässt, weil Anna angesichts dieser Rasanz sonst wahrscheinlich von der Bühne bis in die Käseplatte der dritten Publikumsreihe flöge. Noch spannender gerät der Auftritt des Landsmanns Dmytro Kharlov: Bisweilen muss man wegschauen, wenn er seine Metallzylinder mal längs, mal quer auftürmt und auf diesem wackligen Gerüst auch noch seilspringt. Derartiges werden Sie auf dem Volksfest nie erleben, dermaßen viel Mut kann man sich nicht antrinken. Selbst im Friedrichsbauvarieté wird selten so gezittert.

Mit dabei: Der lustigste Magier der Welt

Zur allgemeinen Entspannung trägt ein alter Bekannter bei: Skizzo! Der lustigste Magier der Welt war auch schon in anderen Produktionen des Friedrichsbauvarietés zu sehen und hat sich in Stuttgart bereits eine kleine Fangemeinde erzaubert. Zu Recht! In weißem Gewand sorgt der Italiener für wundersame Weißwurstvermehrung wie weiland der Heiland bei der Speisung der Fünftausend. Daraufhin verwandelt er Wasser in Wein, Wein in Wasser und am Ende gibt’s Bier. Mit spitzen Schreien und allerhand Tricks stürzt er die Bühne ins Chaos. Dem Mann müsste man eigentlich eine eigene Show geben, sie wäre immer ausverkauft.

Wer also Sandy Beachs Einlagen samt Jodelkurs („Hol a Rührei, hol a Radio“), „Schatzi schenk mir ein Foto“ und „Skandal um Rosi“ zu ertragen oder gar zu schätzen weiß, findet leicht Gefallen an diesem Rummelplatz. Ralph Sun hat die einzelnen Künstler geschickt miteinander kombiniert, eintönig wird’s nie. Auch die Überleitungen funktionieren, wenn etwa die gamsige Maitresse de Plaisir Ausschau nach Mast-Artist Sebastian Stamm hält, der aber längst einhändig oben am „Maibaum“ hängt und dort lässig auf und ab spaziert.

Bevor man zum zweihundertsten Mal auf den Wasen fährt, Hähnchen aus Massentierhaltung verschlingt und sich fünf teure Maß einverleibt, weil das Treiben anders gar nicht auszuhalten ist: Der Pragsattel bietet eine Alternative.

Vorstellungen bis zum 10. November Mittwoch bis Samstag um 20 Uhr, Sonntag um 18 Uhr (am 6. Oktober bereits um 17 Uhr). Dauer der Show: 2,5 Stunden inklusive 20 Minuten Pause. Friedrichsbau Varieté, Siemensstraße 7