Das Nestlé-Areal am Bahnhof: der Francksteg (rechts außen) bleibt vorerst die einzige Möglichkeit, die Gleise im Süden des Ludwigsburger Bahnhofs zu überqueren. Foto: Werner Kuhnle

Keine neue Unterführung, vorerst kein neuer ZOB, dafür ein neues Quartier: Ludwigsburg kauft einen Teil des Nestlé-Areals, mit dem die Stadt viel vorhat. Beim nahen Bahnhof hingegen wird heftig abgespeckt. Die Reaktionen sind bemerkenswert.

Ludwigsburg - Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht vom Ludwigsburger Bahnhof. Die gute: Die Stadt hat sich mit der Firma Nestlé über den Kauf ihres Geländes geeinigt. Dort kann also, wie lange geplant, ein neues Quartier entstehen. Die schlechte Nachricht: Eine zweite Unterführung zu den Gleisen wird es trotzdem nicht geben. Und das obwohl ein solcher Durchgang stets mit dem Kauf des Nestlé-Areals verknüpft und als ausgesprochen dringlich erachtet worden war.

Aber: Die aktuelle Haushaltssituation lässt die Realisierung offenbar nicht zu. „Eine zweite Unterführung wäre absolut wünschenswert“, sagt der Oberbürgermeister Matthias Knecht – und vollendet: „Aber es gibt Maßnahmen, die noch wichtiger sind.“ Bei der Präsentation des Haushalts hatte Knecht verkündet, dass die Stadt ihre Geldangelegenheiten nun realistischer angehen will, weshalb „wir uns bewegen und neu denken müssen“.

Die FDP ist „not amused“

Der Umbau des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB), der bislang mit weiteren rund 20 Millionen Euro veranschlagt war, ist nach dem Kassensturz auch nicht mehr realistisch. Allerdings wird dieses ebenfalls lange angekündigte Vorhaben nicht gestrichen, sondern lediglich zeitlich gestreckt. Für das kommende und das übernächste Jahr sind 1,4 Millionen Euro für Planungen vorgesehen. Diese sollen danach umgesetzt werden. Bisher hieß es, dass 2020 die Bagger anrollen sollen.

Bemerkenswerterweise brechen die Stadträte angesichts dieser Botschaften nicht in Wehklagen oder Protestgeschrei aus. Im Gegenteil: Kommunalpolitiker jeder Couleur haben Verständnis, finden die neuen Ansagen sogar gut. Eine zweite Unterführung wäre wirklich wichtig, sagt zum Beispiel Reinhardt Weiss, der Fraktionschef der Freien Wähler. „Aber wir müssen entzerren.“ Für seinen CDU-Kollegen Klaus Herrmann gibt es keine Alternative zu der nun ausgerufenen Priorisierung. Selbst wenn sich die Stadt von vielen Vorhaben (vorerst) verabschiede, werde sie im kommenden Jahr trotzdem 30 Millionen Euro Schulden machen. Weiterhin alles zu versprechen, letztlich aber nichts umzusetzen, sei keine Option. Johann Heer von der FDP ist „not amused“, sieht aber, dass andere Aufgaben – etwa der Umbau des Bildungszentrums West – dringlicher seien. „Was kippt man stattdessen?“, fragt denn auch der Linke Jürgen Müller rhetorisch.

Der Bahnhofsmanager legt sich ins Zeug

Selbst Michael Vierling, Chef der ÖPNV-freundlichen Grünenfraktion, reagiert verständnisvoll: Die Zustände in der bestehenden Unterführung seien zwar schrecklich – aber: „Es geht.“ Die SPD ihrerseits setzt auf die Zukunft: Mit der Stadtbahn werde hoffentlich wieder Bewegung in das Thema kommen, sagt Nathanael Maier.

Allerdings wird schon Axel Müller alles daran setzen, dass das Thema nicht in Vergessenheit gerät. Der Bahnhofsmanager will, wie er sagt, unermüdlich bei der Bahn, beim Bund, Land und der Region um Unterstützung werben. Schließlich sei ein gut funktionierender Bahnhof im Sinne all dieser Parteien.

Und dieser Bahnhof dürfte mittelfristig noch reger frequentiert werden – sobald das Nestlé-Areal neu genutzt wird. Etwas weniger als die Hälfte der 20 000 Quadratmeter großen Fläche wird die Stadt kaufen, den anderen Teil ein Unternehmen, „das gut an diese Stelle passt“. Einzelheiten nennt OB Knecht noch keine.

Platz für Existenzgründer?

Nachdem sich die Stadt und Nestlé nun über den Preis geeinigt haben, muss der detaillierte Vertrag erst noch ausgetüftelt werden. Aber fest steht, dass das inzwischen brach liegende Gelände deutlich aufgewertet wird. Die Stadt erwägt, auf dieser Fläche Unternehmen und Existenzgründern Platz einzuräumen. Auch eine Erweiterung der Radwerkstatt am Westportal sowie der Radgarage ist vorstellbar. Und womöglich, so Knecht, haben auch die Hochschulen der Stadt Bedarf, der dort gedeckt werden könnte. Ein Hotel, wie es früher im Gespräch war, ist laut Knecht eventuell auch möglich. „Aber nicht zwingend.“

Bei allen Unwägbarkeiten, eins scheint gewiss: „Das wird“, sagt der OB, „eine sehr, sehr gute Adresse.“ Auch die Stadträte sind ganz seiner Meinung.