Selena Gomez und der professionell inszenierte Imagewechsel. Foto: Miranda Penn Turin

Sie war das süße Schnuckelchen aus der TV-Serie „Die Zauberer von Waverley Place“, war in „Another Cinderella Story“ oder „Plötzlich Star“immer das niedliche Mädchen von nebenan. Jetzt versucht Selena Gomez der Disney-Falle zu entkommen.

Wer bisher noch nie etwas von Selena Gomez gehört hat, muss über 20 sein und keine Kinder haben. Alle anderen entkommen der Texanerin nicht. Sie ist Prinzessin des Kinderfernsehens, wurde als Zehnjährige bei einem Disney-Talentwettbewerb entdeckt, spielte fünf Jahre die Hauptrolle in Disneys „Die Zauberer von Waverley Place“, hatte Hauptrollen in Disney-Filmen („Another Cinderella Story“), Gastrollen in Disney-Serien („Hannah Montana“), durfte Disney-Lieder singen („Cruella de Vil“) und machte bei der Umweltinitiative „Disneys Friends for Change“ mit. Man erkennt das Muster: Selena Gomez war das Postergirl des Disney-Konzerns, verkörperte brav und niedlich vorbildlich die wertkonservative Haltung des stets um saubere Familienunterhaltung bemühten Unternehmens.

Und fast könnte man in die Falle gehen und glauben, dass Selena Gomez’ Album „Stars Dance“ genau das fortführt, was sie jahrelang bei Disney gelernt hat: „Tell ’em it’s my birthday, when I party like that“, sag ihnen, es ist heute mein Geburtstag, wenn ich so feiere, singt Gomez in dem Song „Birthday“, der wie ein Kinderlied mit übermütigem Händeklatschen beginnt. Doch dann mischen sich ein schwerfälliger R’n’B-Beat, ein fieses Synthiebrummen ein, und Gomez beginnt recht unzweideutig rhythmisch zu stöhnen. Das nette Mädchen von nebenan ist offensichtlich sehr schnell erwachsen geworden.

Das Album „Stars Dance“ setzt einem zwar den gleichen wenig aufregenden Mix aus Eurodance, Dubstep und R’n’B vor, wie man ihn zurzeit ständig in US-Großproduktionen zu hören bekommt; doch um Musik geht es auf dieser Platte sowieso nicht, sondern um den Soundtrack zum Imagewechsel. Ob in „Slow Down“, „Save The Day“ oder in „Undercover“, in dem sich Gomez wünscht, mit ihrem Geliebten allein im Dunkeln zu sein, stets wird die Tochter einer Halbitalienerin und eines Mexikaners als sexy Dancefloor-Diva vorgeführt.

Gomez ist nicht der erste Kinderstar, der mit aller Macht der Disney-Niedlichkeit entkommen will. Aber anders als vor ihr zum Beispiel Britney Spears oder Lindsay Lohan führt sie ihr Erwachsenwerden nicht dadurch vor, indem sie sich von einem Skandal in den nächsten stürzt. Sie benimmt sich nicht wie ihr Ex-Freund Justin Bieber, mit dem sie ein Jahr zusammen war, andauernd in der Öffentlichkeit daneben, um zu beweisen, dass sie kein Kind mehr ist.

Nein, Selena Gomez geht den Imagewechsel äußerst professionell und gründlich an. Denn als eine Art Vorprogramm für das Album „Stars Dance“ hatte sie bereits eine der Hauptrollen im Independent-Film „Spring Breakers“ gespielt, der bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt wurde. Gomez ist da in der Rolle eines Mauerblümchens zu sehen, das bei den berüchtigten Spring-Break-Partys in Florida das volle Programm von Sex, Drogen und Gewalt abbekommt. Ihre jugendlichen Fans aus Disney-Zeiten hatte sie – verantwortungsbewusst, wie Selena Gomez ist, vor dem Film allerdings gewarnt und sie aufgefordert, diesen Film bitte besser nicht anzuschauen.