Will in Ludwigsburg einen guten Job machen: Andrea Schwarz Foto: factum/Simon Granville

Für Andrea Schwarz gibt es in Ludwigsburg viel zu tun. Wer ist die Bürgermeisterin, die fast keiner kannte?

Ludwigsburg - Als Andrea Schwarz ihren Job als Stadtplanerin in Neckarsulm antrat, verwandelte sie binnen 20 Monaten Grundstücke, die 100 verschiedene Eigentümer hatten, in ein Gewerbegebiet, in dem sich der IT-Konzern Bechtle ansiedeln konnte. Als Andrea Schwarz ihren Job als Leiterin des Amts für Stadtentwicklung in Bietigheim-Bissingen antrat, befriedete sie Bürger im Stadtteil Buch, die sich von der Verwaltung übergangen fühlten und seit Monaten gegen ihre Baupläne mobil machten. Welche vermeintliche Unmöglichkeit Andrea Schwarz in ihrem Job in Ludwigsburg möglich machen darf, wird sich weisen. Zu tun gibt es viel, Geld hingegen fast keins. Aber: Bemerkenswert ist schon jetzt, dass sie den Job als Bürgermeisterin für Stadtentwicklung, Hochbau und Liegenschaften bekommen hat.

Andrea Schwarz, 45, ist Mitglied der SPD, die im Ludwigsburger Gemeinderat mehrheitstechnisch gesehen, momentan keine starke Macht ist. Und die Amtsleiterin trat gegen eine Kandidatin an, die vielen als vermeintliche Favoritin galt: Eva Noller tut als Erste Bürgermeisterin in Leinfelden-Echterdingen bereits vieles von dem, was in Ludwigsburg gefordert ist. „Manchmal muss man halt ins Wasser springen und gucken, was passiert“, sagt Andrea Schwarz, die 28 von 38 Stimmen bekommen hat.

Ein überraschender Antrag

Dafür, dass die Freien Wähler bei dieser Wahl zudem eine ziemlich unglückliche Figur abgegeben haben, kann Andrea Schwarz nichts. Bemerkenswert ist es aber allemal. Den Freien Wählern war am Tag der Wahl eingefallen, dass sie einen vierten Bürgermeisterposten doch nicht für nötig halten. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Chancen der Freien-Wähler-Frau Noller nicht übermächtig sind. Begründet wurde der Streich-Antrag allerdings mit der coronabedingt desolaten Finanzsituation. Dass der Fraktionschef Reinhardt Weiss einen Tag zuvor noch öffentlich erklärt hatte, eine gute Spitze im Hochbau könne auch Geld einsparen helfen, erschien offenbar nur den Freien Wählern nicht als Widerspruch. Ihr Antrag fand denn auch keine Mehrheit.

Angetan von Andrea Schwarz sind sie nun trotzdem: „Frau Schwarz wird eine sehr gute Dezernatsleiterin werden“, sagt Reinhardt Weiss. Sogar Gabriele Moersch, die wie Hermann Dengel aus Protest nicht mitgewählt hat, ist „mit dem Ergebnis zufrieden“. Die anderen Fraktionen sowieso. Sie rühmen die „sehr guten Referenzen“ (CDU), freuen sich über eine „sehr qualifizierte“ (SPD) und „hervorragend qualifizierte“ (FDP) Kandidatin, die „fortschrittliche Ideen“ (Grüne) habe.

Andrea Schwarz wiederum sagt über sich: „Ich trete an, um einen guten Job zu machen.“ Gut bedeutet in diesem Fall aus ihrer Sicht, dass die Innenstadt mehr Aufenthaltsqualität erfährt. Konkret die Achse vom Bahnhof bis zur Wilhelmstraße, inklusive Arsenalplatz. Gut bedeutet auch, dass die Stadt mehr Wohnraum schafft. Und dass es genügend und gute Kitas und Schulen gibt. Lösungen, das betont Schwarz, hat sie noch keine. Zudem gelte es zunächst, mit dem Gemeinderat die Prioritäten festzulegen. Alles andere wäre vermessen. „Aber es ist wichtig, dass es jemanden gibt, der die Belange der Stadtentwicklung vertritt“, sagt die Architektin und Stadtplanerin, die sich deshalb für den öffentlichen Dienst entschieden hat, weil man auf dieser Seite vorgeben könne, was man möchte.

Erfolg ohne Headhunter

Andrea Schwarz ist in Beilstein aufgewachsen und auch zur Schule gegangen. In Stuttgart hat sie studiert. Nun wohnt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Oberstenfeld. In den Ohren mancher klingt das womöglich etwas provinziell. Und womöglich gibt es noch immer Zeitgenossen, die sich für Frauen nicht vorstellen können, Kinder und Karriere zu haben. Aber – wie Familie Schwarz zeigt – mit Aufgabenteilung, Au-pair-Mädchen und Unterstützung der Großfamilie ist beides möglich. Und wegen der Provinz: Was heißt das schon? Für große Gedanken braucht es in erster Linie einen offenen Geist, nicht die große Welt. Und – bei aller Liebe – der Nabel der Welt ist Ludwigsburg nun auch wieder nicht.

Auch in Bietigheim-Bissingen gibt es innovative Projekte. Das Bogenviertel zum Beispiel, das zurzeit auf dem ehemaligen DLW-Gelände entsteht. Jenes Viertel also, in dem sich Wohnen und Arbeiten verbinden, wo Mobilität nicht vom Auto her gedacht wird – und das Bietigheims Beitrag auf der Internationalen Bauausstellung 2027 werden soll. Und auch von Oberstenfeld aus kann man versuchen, Einfluss zu nehmen. 1999 zog Andrea Schwarz ins damals noch junge Regionalparlament ein. Sie behielt ihren Sitz, bis sie 2010 in Bietigheim zur Leiterin des Stadtentwicklungsamts gewählt wurde.

Ihre neue Stelle in Ludwigsburg tritt sie nach der Sommerpause an. Eine Stelle übrigens, die vor knapp zwei Jahren nur mit der Hilfe eines Headhunters besetzt werden konnte, der in der ganzen Republik nach geeigneten Kandidaten suchte. Dass die Nachfolgerin von Gabriele Nießen nun ganz ohne professionelle Hilfe noch dazu in der Nachbarschaft gefunden wurde, ist auch eine dieser bemerkenswerten Begebenheiten bei dieser Wahl.

Eine Spardebatte im nächsten Jahr?

Falls, auch das noch zum Schluss, die Freien Wähler nächstes Jahr noch immer der Überzeugung sein sollten, Ludwigsburg komme mit drei Bürgermeistern zurecht – die Amtszeit des Bürgermeisters für Mobilität, Technik und Umwelt läuft 2021 aus. Dass die Freien Wähler Michael Ilk, immerhin ein Mitglied ihrer Vereinigung, für verzichtbar erklären, ist zwar kaum vorstellbar. Aber vielleicht tun das ja die anderen Fraktionen? Womöglich wollten die Freien Wähler eine solche Debatte unterbinden, indem sie schon jetzt bei drei Bürgermeistern bleiben?

In der Stadt gibt es einige, die dies für die wahre Motivation des Ad-hoc-Antrags am Wahltag halten. Der Fraktionschef Reinhardt Weiss sagt dazu nur: „Kein Kommentar!“