Kleo (Jella Haase) kann das perfekte Party-Girl darstellen, wenn sie glaubt, diese Maskerade wäre die richtige für den Einsatz. Foto: Netflix/Julia Terjung

In Diktaturen lauert der Verrat überall, das erfährt leidvoll eine Stasi-Agentin in der neuen Netflix- Serie „Kleo“. Jella Haase macht aus der Hauptfigur ein ebenso charmantes wie giftiges Chamäleon.

Mit Kleo ist nicht zu spaßen. Die „inoffizielle“ Stasi-Agentin erledigt für die DDR Ende der 80er Jahre die Drecksarbeit und bringt feindliche „Ziele“ um die Ecke. Als ein Westberliner Polizist sie in einer Bar als Täterin identifiziert und bald darauf ein Phantombild kursiert, ziehen die Genossen Kleo aus dem Verkehr und verfrachten sie ins Frauengefängnis. Nach dem Mauerfall kommt sie frei und geht auf einen erbarmungslosen Rachefeldzug.

Inspiriert von wahren Begebenheiten haben Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad die schwarzkomödiantische Serie „Kleo“ für Netflix gestrickt. Sie kreist um das starke Kraftfeld in ihrem Zentrum: die Schauspielerin Jella Haase. Die geht völlig in ihrer Rolle auf, sie trickst und täuscht nach Herzenslust, kichert irre und schlägt hart zu, mischt Gift und bastelt Sprengfallen.

Jella Haase verkörpert überzeugend, was immer sie möchte

Haases Filmfigur ist ein herrliches Chamäleon, virtuos wechselt sie die Charaktere, die Masken, die Perücken und die Kostümierungen, wie es die jeweilige Situation verlangt. Die Spiellust strömt dabei aus jeder Faser ihres Körpers, ob sie als Kleo nun gerade einen Ahnungslosen noch umgarnt oder ihn bereits in die Luft jagt. Im Kinofilm „Berlin Alexanderplatz“ (2020) spielte Haase die Schlüsselrolle der Prostituierten Mieze, die ein gutes Herz hat und vergeblich versucht, den unglücklichen Protagonisten zu retten.

In „Lieber Thomas“ (2021), Andreas Kleinerts fiktiver filmischer Annäherung an den ostdeutschen Autoren und Filmemacher Thomas Brasch, glänzte sie als junge Katharina Thalbach. Seit diesen Auftritten zweifelt niemand mehr daran, dass Jella Haase überzeugend verkörpern kann, wen und was auch immer sie möchte – und genau das tut sie nun in „Kleo“ mit allen Freiheiten.

Ein Stasi-Choleriker, linientreu über die DDR hinaus, jagt Kleo

Die Nebenfiguren, sämtlich Karikaturen, bieten ideale Folien für Haases schauspielerische Verführungskunst: Dimitrij Schaad als ziemlich erfolgloser Betrugsermittler Sven, der den Fall seines Lebens gefunden zu haben glaubt, Julius Feldmeier als Techno-Freak mit Verschwörungs-Tick namens Thilo, Vincent Redetzki als cholerischer Stasi-Hardliner, der lange über die DDR hinaus linientreu bleibt und Kleo genauso verbissen jagt wie diese ihre Verräter – zu denen sogar ihr geliebter Opi gehört (hat).

Punktuell lassen die Macher cineastische Magie walten, etwa wenn ein Messerstich in die Brust binnen kurzer Zeit rückstandsfrei verschwindet. Die meiste Zeit über aber erhalten sie die Illusion aufrecht, man begleite hier eine fröhliche Psychopathin durch ihre etwas überspitzte Version von Realität. Wenn Kleo in einer Sequenz im Krankenschwestern-Kostüm durch ein Hospital hüpft, erinnert sie gar ein wenig an Harley Quinn, die verrückt gewordene Freundin des Jokers in der Batman-Comicwelt. Eine atemberaubende Traumsequenz in der sechsten Folge erzählt ihren Werdegang zur Killerin.

Der Feind: Menschen ohne Loyalität und moralischen Kompass

Die DDR-Wende-Kulisse inklusive der Mode von damals sitzt, der technoid angehauchte Soundtrack passt zum Zeitkolorit. Er untermalt menschliche Abgründe und Verlogenheiten, die in „Kleo“ in den schillerndsten Farben zum Vorschein kommen. Die Serienmacher haben sich viele prinzipienlose Subjekte ausgedacht. „Einen gewissen Heimatbezug sollte man auch in der Fremde pflegen, wir können unser Deutschsein ja nicht leugnen“, sagt der ehemalige Stasi-Offizier, der nun wie die Made im Speck auf Mallorca lebt. Er verdient inkognito tapfer daran mit, dass DDR-Betriebe gen Westen verhökert werden.

„Kleo“ mag überdrehter daherkommen als DDR-Dramen wie der Oscar-Spielfilm „Das Leben der anderen“ (2006), die Serienreihe „Deutschland ’83/’86/’89“ oder Matti Geschonnecks Meisterwerk „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ (2018) – die moralische Verkommenheit bringt die Serie dennoch genauso zielsicher auf den Punkt.

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