Neulich in Hawkins, Indiana: Noah Schnapp, Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown, Sadie Sink und Caleb McLaughlin (von links) in der dritten Staffel von „Stranger Things“ Foto: Netflix

Auch Nerds kommen in die Pubertät. Die dritte Staffel der Netflix-Serie „Stranger Things“ vermischt wieder grandios und nostalgisch-witzig Science-Fiction und Horror – und erzählt vom Erwachsenwerden.

Stuttgart - Ein übersehenes Meisterwerk aus den 1980ern ist die Highschool-Komödie „Fast Times at Ridgement High“, die auf Deutsch auf den Namen „Ich glaub’, ich steh’ im Wald“ hören muss. Amy Heckerling und Cameron Crowe erzählen darin bittersüße Geschichten von der ersten große Liebe, der ersten großen Ernüchterung, vom Erwachsenwerden in der Vorstadt, das sich hauptsächlich im örtlichen Einkaufszentrum abspielt. Davon handelt auch die dritte „Stranger Things“-Staffel. Nur dass in der Science-Fiction-Horror-Retro-Show der Duffer-Brüder das Erwachsenwerden durch monströse Heimsuchungen aus der Schattenwelt etwas erschwert wird.

Keine Sorge, hier wird nicht verraten, wie das Grauen im Sommer des Jahres 1985 die telekinetisch begabte Eleven (Millie Bobby Brown), die vier liebenswerten Nerds Will (Noah Schnapp), Mike (Finn Wolfhard), Dustin (Gaten Matarazzo) und Lucas (Caleb McLaughlin) und all die anderen Bewohner von Hawkins, Indiana, heimsucht: Netflix hat jedem TV-Kritiker, der die Erfolgsserie des Streamingdienst vorab sehen durfte, eine Anti-Spoiler-Erklärung unterschreiben lassen, in der man sich verpflichtet hat, eine lange Liste mit Handlungsdetails für sich zu behalten.

Zwischen Spielberg und Cronenberg

Was aber verraten werden darf, ist, dass „Stranger Things“ eine Serie von Nerds über Nerds für Nerds bleibt, ein grandioser Spaß für alle, die sich in der Welt zwischen „E. T.“ und „Es“, zwischen Spielberg und Cronenberg zu Hause fühlen, ein kurios-grandioser Mix aus Filmzitate-Sammlung, 80er-Jahre-Hommage und Gruselstunde. In den acht Episoden der dritten Staffel, die Netflix an diesem Donnerstag veröffentlicht, geht das vergnügte Wühlen im Archiv der Popkultur weiter. Diesmal kramen Matt und Ross Duffer“ etwa Foreigners „Cold as Ice“ und Madonnas „Material Girl“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ und „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ hervor.

Oder eben „Fast Times at Ridgement High“: Wer bei der erotisch aufgeladenen Swimmingpool-Szene und den ständigen Anspielungen auf Phoebe Cates noch unschlüssig ist, erkennt spätestens dann, wenn Steve (Joe Keery) als Eisverkäufer in einem lächerlichen Matrosendress vergeblich versucht mit Kundinnen im neuen Einkaufszentrum von Hawkins zu flirten, dass man mitten hineingeraten ist in eine „Ridgement High“-Lobhudelei. Und von da an wartet man die ganze Zeit eigentlich nur noch darauf, dass endlich Jennifer Jason Leigh durchs Bild läuft und „Somebody’s Baby“ von Jackson Browne zu hören ist.

Der lustige kleine Bruder von „Dark“

Nebenbei erweist sich diese virtuos und farbenprächtig inszenierte Geschichte mit ihren rasant-pfiffigen Dialogen und ihren plötzlichen Abzweigung ins Trashige und Düstere als der kleine lustige Bruder der deutschen Netflix-Serie „Dark“. Auch hier wird ein Kleinstadtkosmos seziert, der von einer mysteriösen Macht heimgesucht wird.

Das Perfide an der dritten „Stranger Things“-Staffel ist, dass Hawkins gleich doppelt bedroht wird. Da ist zum einen ein monströses Etwas, das im Dunklen lauert. Und da ist zum anderen die Starcourt Mall, das glitzernde Einkaufszentrum vor den Toren der Stadt, das unendlichen Spaß und Konsum verspricht und dafür sorgt, dass sich der Rest von Hawkins in eine Geisterstadt verwandelt.

Sieht Dustins Freundin wirklich aus wie Phoebe Cate?

Und während der Altherrenverein, der sich die Redaktion der „Hawkins Post“ schimpft, ahnungslos zuschaut, bleibt es wieder den netten Nerds von nebenan überlassen, die Welt vor den Monstern aus der Schattenwelt zu retten – und nebenher mit der Pubertät klarzukommen. Denn aus den Kindern der ersten Staffeln sind nun Jugendliche geworden. Selbst Supernerd Dustin behauptet, im Summercamp eine Freundin gefunden zu haben – ein Mädchen, das wenn man seinen Erzählungen Glauben schenkt, genau so umwerfend aussieht wie Phoebe Cates.

Info

„Stranger Things“ zählt laut Netflix zu den weltweit meistgesehenen Eigenproduktionen des Streamingdiensts. Die Serie war bisher für 31 Emmys nominiert und gewann fünf. Die acht Episoden der dritten Staffel sind von 4. Juli an bei Netflix verfügbar.