Alan Arkin (li.) und Michael Douglas spielen alte Freunde, die einander gerne zwiebeln. Foto: Netflix/Michael Yarish

Altwerden ist nichts für Feiglinge. Aber etwas für Leute mit bissigem Mundwerk. Michael Douglas und Alan Arkin erzählen in „The Kominsky Method“ bei Netflix zum Niederknien komisch von Freundschaft, von später Liebe, Krankheit und Reibereien.

Stuttgart - Alex, der Kellner, bewegt sich so langsam von der Theke zum Tisch des Gastes, dass unterdessen gut und gerne der Eigentümer des Lokals zweimal wechseln könnte. Was als Energie nicht mehr in die Beine fließt, geht in die Hände: Die zittern so, dass Alex ganz ohne Cocktail-Shaker die bestgeschüttelten Martinis der westlichen Welt serviert. Aber dieser Veteran, der offenbar schon Kellner war, als Gott noch in kurzen Hosen vom Stützrädchenfahrrad fiel, ist ein Vollprofi: Er verschüttet keinen Tropfen.

Sarkasmus und Besserwisserei

Alex ist eine Nebenfigur in der zum Hinschmelzen großartigen Komödienserie „The Kominsky Method“, deren zweite Staffel nun bei Netflix abrufbar ist. Aber der ruhestandslose Kellner ist eben keine schrullige Witzfigur, deren tattrige Bemühtheit herablassendes Feixen bewirken soll. Wie die Hauptfiguren, der von Michael Douglas gespielte Schauspiellehrer Sandy Kominsky und der von Alan Arkin verkörperte Künstleragenturenboss Norman Newlander, verkörpert Alex ein paar der großen Fragen dieser Serie: Sind Menschen ohne Arbeit noch voll im Leben oder Tote auf Abruf? Schafft die Verknüpfung in Geschäfte andere Sozialbeziehungen als der Müßiggang? Wie viel Toleranz darf jemand, der sich nach eigenem Tempo und eigenem Kopf durch die Welt bewegt, von anderen erwarten?

Falls das nach sozialromantischer Beschaulichkeit klingen sollte, muss dieser Irrtum umgehend korrigiert werden. Die Figuren gehen einander mit Sarkasmus und Brummigkeit an wie Metallfeilen über störende Grate herfallen. Sie definieren Besserwisserei als freundschaftlichen Rat und nutzen Schwächen der anderen als geeigneten Druckpunkt, auf den sie die Krücken des eigenen Egos pressen können. Hinter all dem aber, das ist der Unterschied zur bloß bissigen Gag-Show, hegen sie echte Gefühle füreinander.

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Auch in der zweiten Staffel geht es um Freundschaft und Liebe, um das, was wir von Zweisamkeit erwarten und was wir in sie investieren können, um Eltern-Kind-Beziehungen, um Krankheit und Tod, um den Umgang mit dem eigenen Schwächerwerden. Diese Komödie hat viele atemberaubende Momente. Aber wie brillant, furchtlos und selbstironisch der 75-jährige Douglas, der selbst dem Krebstod von der Schippe gesprungen ist, an der eigenen Biografie entlang spielt, könnte alleine schon zwei Serien am Leben halten.

Der Showrunner Chuck Lorre bringt hier Folge um Folge zuwege, was Woody Allen nur in seinen allerbesten Filmen schaffte: den Triumph des Wortwitzes über die Macht der Verhältnisse, eine stimmige Mixtur aus Zuckerwatte und Schwarzbrot, aus romantischer Komödie und Sterblichkeitsbegrübelung. Altwerden ist nichts für Feiglinge, aber „The Kominsky Method“ ist ein gutes Dopingmittel für unsere Courage, es mit dieser Herausforderung aufzunehmen.

Netflix, zwei Staffeln komplett abrufbar