Die Schrift weckt unangenehme Erinnerungen an eine üble Vergangenheit. Foto: privat

Verehrt ein Baggerfahrer hier etwa den „Führer“? Ein seltsamer Schriftzug auf einem Baugefährt in Stuttgart-Kaltental weckt Erinnerungen an eine schlimme Zeit.

Kaltental - Sicher hat es niemand gewagt, den Mann, der sich von 1933 bis 1945 als Führer bezeichnen ließ, zu fragen, ob er denn überhaupt einen Führerschein, der ihm das Führen erlaube, besitze. Doch Spaß beiseite: Des sogenannten Führers wegen herrscht an der Kaltentaler Schlossbergstraße Aufregung. Dort wird gerade im Auftrag der Stadt die Straße ausgebessert. Auf dem Fenster der Fahrerkabine eines Baggers prangte das Wort „Führerhaus“, also auf dem Haus, in dem Gott sei Dank nicht der Führer sitzt, sondern der zum Führen des Fahrzeugs berechtigte Fahrer.

Vielleicht wäre niemand der Anwohner und Passanten auf den Gedanken gekommen, dass sich hinter dem Wort Führerhaus ein Bezug zum Führerkult der schrecklichen Nazi-Diktatur verbergen könnte – wäre da nicht der eigentümliche Schrifttyp, der auf die Zeit vor 1945 verweist. Das wirft die Frage auf: Verherrlicht der Fahrer den Führer?

Die Frakturschrift erinnert an die Nazizeit

Ein Leser unserer Zeitung hat uns auf diesen Umstand hingewiesen. Führerhaus, schrieb er, sei ja kein verwerflicher Begriff, „aber in Sütterlinschrift geschrieben weckt das dann doch eindeutige Assoziationen. Es wäre vielleicht schon interessant zu wissen, was die Geschäftsleitung von solchen Aufklebern hält und warum sie das toleriert.“ Der Leser hat recht, allerdings ist Führerhaus nicht in Sütterlinschrift, die außer Senioren, die sie in ihrer Jugend noch lernen mussten, heute kaum noch jemand lesen kann, geschrieben, sondern in Frakturschrift. Diese ist seit dem 16. Jahrhundert, also auch während der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und der Nazi-Ära, in Deutschland am verbreitetsten gewesen.

Auf das Führerhaus angesprochen, reagiert Michael Binder, der Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Baufirma aus Remseck, entsetzt: „So etwas dürfen unsere Baggerfahrer nicht tun. Das haben wir ganz bestimmt nicht gemacht. Unsere Fahrzeuge werden manchmal mit Graffiti verschmiert. “ Seine Firma sei ein Unternehmen, das Arbeitnehmer aus ganz Europa beschäftige: „Wir sind ganz bestimmt nicht nationalsozialistisch eingestellt, und ich werde auf die Baustelle fahren und dem Vorfall nachgehen.“

Der Unternehmer hat den Baggerfahrer abgemahnt und die Schrift entfernen lassen

Michael Binder ist dann auch tatsächlich aktiv geworden. „Der Schriftzug war in den Bagger eingeklebt, und das hat einer unserer Fahrer gemacht. Ich habe ihn abgemahnt und den Schriftzug entfernen lassen“, sagt er. Der Fahrer sei ein junger Kerl, der dies für einen Scherz gehalten habe. „Ich habe ihn auf den Ernst des Vorgangs hingewiesen“, sagt Michael Binder. Er kenne den jungen Mann. Seiner Einschätzung nach sei dieser kein Nazi und er habe auch keine nationalistische Einstellung. „Er arbeitet schließlich gut in einem Team mit Italienern und Portugiesen zusammen.“ Für den Bauunternehmer steht jetzt jedenfalls fest: „Einen solchen Vorfall wird es auf unseren Baustellen nicht mehr geben.“