Die Alttiere besuchen das Nest nur zum Füttern, sobald die Küken geschlüpft sind Foto: Roberto Bulgrin

Wer Naturnester im Garten hat, kann vom Nabu eine Plakette bekommen. Ein Denkendorfer Vogelfreund hat diese Auszeichnung kürzlich erhalten

Denkendorf - Mit halsbrecherischem Tempo stürzen sich die Mehlschwalben aus den Lüften auf ihre Nester. Es herrscht ganz schöner Flugverkehr rund um das Denkendorfer Mehrfamilienhaus, in dem auch André Schmidt wohnt. Neun Schwalbennester gibt es an der Fassade – keines davon ist künstlich. „Das ist schon etwas Besonderes“, sagt Ilona Scharf vom Naturschutzbund (Nabu) Ostfildern-Nellingen.

Wegen dieser neun Nester hat der Nabu das Wohnhaus nun mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ ausgezeichnet. Diese Aktion gibt es seit 14 Jahren, seit vier Jahren mit der bundesweit einheitlichen Plakette. Die Plakette soll eine Wertschätzung für die Menschen sein, die den Schwalben ihre Fassade zum Brüten überlassen. Denn die Schwalben haben es nicht immer leicht, in modernen, städtischen Wohnsiedlungen heimisch zu werden. Aufgrund von Verunreinigungen durch die Hinterlassenschaften der Schwalben wurde in der jüngeren Vergangenheit auch ein Teil des Bestandes an Schwalbennestern in Wohngegenden zerstört.

Eltern nutzen Nest nicht mit

Für ihre Nester brauchen die Tiere viel Lehm. Rund 1500 kleine Kügelchen stecken in einem Schwalbennest. Aufgrund dieser Menge ist es von Vorteil, wenn es in der Nähe des Nistplatzes zum Beispiel Feldwege gibt. Sind die Wege zu weit, kann der Nabu die Vögel mit künstlichen Nestern unterstützen. Um sich wohlzufühlen, brauchen Schwalben ein Haus, bei dem eine freie Anflugschneise gegeben ist. Es sollten nicht viele Bäume und Büsche darum herum stehen. „Wenn Haus an Haus steht, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich Schwalben ansiedeln“, weiß Bernd Bluthardt vom Nabu Ostfildern-Nellingen. Günstig ist ein Überhang am Dach, denn er bietet den Küken Schutz vor der Witterung. Ob der Vorsprung groß oder klein ist, sei dabei nicht entscheidend.

Schwalben sind in der Regeln ihrem Partner treu. „Wenn nicht ein Elterntier verstirbt, bleiben sie zusammen“, sagt Scharf. Die Küken haben das Nest für sich alleine. Die Eltern füttern sie nur von außen. Selber übernachten die Altvögel zum Beispiel auf Stromleitungen. Bei künstlichen Nestern, die immer paarweise aufgehängt werden, bietet sich ihnen jedoch die Möglichkeit, im Nachbarnest unterzukommen, falls dieses nicht belegt ist. Bis zu dreimal brüten Mehlschwalben pro Jahr, drei bis fünf Küken machen eine Brut aus. In den drei Wochen, die die Kleinen nach dem Schlüpfen ausschließlich im Nest verbringen, verfüttern die Eltern rund ein Kilogramm Insekten. Bei der Wahl ihrer Nahrung sind sie nicht sehr wählerisch. „Alles, was fliegt und was uns ärgert, fressen die Schwalben“, sagt Bernd Bluthardt.

Dritte Brut kommt meist nicht durch

Die erste Brut ziehen Mehlschwalben Ende April oder Anfang Mai auf, die zweite gibt es im Juni oder Juli. Die dritte Brut findet im August statt. „Aber diese Jungen kommen meist nicht durch“, erklärt Bluthardt. Er betreut für den Nabu seit 16 Jahren unter anderem die jährliche Schwalbenputzete. Dabei werden die Kunstnester abgehängt und gesäubert. Nicht nur Kot und Verschmutzungen müssen beseitigt werden. Wenn die toten Küken vom Vorjahr nicht entfernt wurden, wird das Nest meist aufgegeben. „Wir haben damals mit einer Auszugleiter angefangen, inzwischen nutzen wir eine Arbeitsbühne“, sagt Bluthardt. Die Naturnester dürfen dagegen nicht abgenommen werden, um sie zu reinigen. Neben der Reinigung ist ein wichtiger Teil dieser Putzaktion auch die Kontrolle der Aufhängungen. Es muss geschaut werden, ob die Nester noch stabil genug sind. Fallen sie herunter, können sie Menschen schwer verletzen. Auch die Kotbretter, die unter den Nestern angebracht sind, müssen regelmäßig gesäubert werden. Weil diese Bretter aber für räuberische Vögel zur Ansitzjagd auf die Kleinen einladen, werden sie weit genug unterhalb der Nester angebracht, dass das Ansitzen nicht möglich ist. Doch auch so kommen Räuber ab und zu auf ihre Kosten. „Die Jungen fallen manchmal herunter, wenn sie sich vor Gier aus dem Nest recken“, sagt Bluthardt.

„Fast nie Insekten in der Wohnung“

Der Nabu macht die Putzaktion in der Regel kurz vor oder kurz nach Ostern – etwa zwischen dem 15. und 30. April. Neben den Nellinger Naturschützern ist daran auch der Ruiter Ortsverein beteiligt. „Wenn wir zu spät dran sind, dann fliegen uns die Schwalben schon um die Nase“, sagt Bluthardt. In diesem Jahr ist die Schwalbenputzete aus Corona-Gründen ausgefallen. Das bedeutet, dass auch keine aktuellen Zahlen erhoben werden konnten, wie viele Schwalbenpaare derzeit im Zuständigkeitsbereich des Nellinger Nabu brüten. Im vergangenen Jahr wurden 180 Nester gezählt. Viel mehr könnten die Ehrenamtlichen des Nabu auch gar nicht betreuen.

Schwalben sind Zugvögel. Im August oder September werden sie wieder in ihre Winterquartiere in Afrika fliegen. Bis Mai müssen sie zurück sein, um rechtzeitig mit dem Brüten zu beginnen. „Man wartet richtig darauf, dass sie endlich wieder da sind“, das Schmidt, der die Vögel unter anderem von seinem Küchentisch aus beobachten kann. „Das Flugverhalten ist echt der Wahnsinn.“ Und noch etwas schätzt Schmidt an den Tieren: „Ich habe fast nie Insekten in der Wohnung.“