Der Tornado sichert Deutschland die nukleare Teilhabe, also Einfluss auf die Abschreckungsstrategie der Nato. 2025 werden die Maschinen aber aufgebraucht sein. Die Debatte um ein mögliches Nachfolgemodell ist voll entbrannt. Foto: dpa

Sollte der INF-Vertrag über die Begrenzung atomarer Mittelstreckenwaffen in wenigen Tagen scheitern, gewinnt Deutschlands nukleare Teilhabe in der Nato noch mehr Bedeutung. Das hat Folgen für die Rüstung, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Berlin - Nukleare Teilhabe ist problematisch. Speziell für Deutschland, das auf eigene Atomwaffen verzichtet. Was soll’s also, wenn die Tornado-Jagdbomber der Luftwaffe, die US-Atombomben tragen können, spätestens 2025 aufgebraucht sind?

Wo liegt das deutsche Interesse?

So einfach ist das leider nicht. Der Verzicht auf die nukleare Teilhabe wäre noch viel problematischer. Und das, obwohl Teilhabe nicht unbedingt Einfluss auf militärische Entscheidungen der USA bedeutet, sondern vielmehr, dass europäische Nato-Partner Risiken der Abschreckung mit Amerika teilen müssen. Was also ist daran in deutschem Interesse?

Ohne eigenes nuklearwaffenfähiges Flugzeug wäre Deutschland im Fall eines Atomangriffs immer darauf angewiesen, dass die USA ihn im Alleingang beantworten und so den Konflikt sofort auf ihr Gebiet ausweiten. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, Glaubwürdigkeit aber das Fundament jeder Abschreckung. Britische und französische Atomwaffen sind rein zur nationalen Verteidigung da, ausdrücklich nicht zum Schutz Verbündeter.

Die Nato-Russland-Akte achten

Hinzu kommt – aus deutscher Warte besonders kritisch: Partner wie Polen oder Tschechien stehen bereit, Deutschlands Rolle in der nuklearen Teilhabe zu übernehmen. Das aber hieße: Gegen die Nato-Russland-Akte würde das Bündnis Atomwaffen in osteuropäische Staaten verlagern. Eine massive Verschlechterung der ohnehin über die Maßen strapazierten Beziehungen zu Europas militärisch stärkstem Land wäre die Folge.

Heißt: Solange es ohne atomare Abschreckung nicht geht – zumindest solange Russland starr auf seine rund 6000 kleineren Atomwaffen besteht – muss Deutschland an dieser Rolle festhalten. Und braucht folglich ein neues Flugzeug, mit dem es das auch kann.

Ein Platz am Katzentisch

Falsch wäre es daher, unter dem Eindruck eines Scheiterns des INF-Vertrags zur Begrenzung landgestützter Mittelstreckenwaffen auf ein neues Flugzeug und die nukleare Teilhabe zu verzichten. Schließlich geht es bei INF um eine ganz andere Kategorie von Atomwaffen und eine andere Ebene in der Abschreckungs- und Eskalationsstrategie der Nato. Außerdem würde Deutschland auf eine Trittbrettfahrerrolle zurückfallen, Zweifel an seiner Bündnistreue wecken und hinfort am Katzentisch sitzen, wann immer die Nato ihre Nuklearstrategie festlegt.

Das wäre ein hochproblematisches Signal in einer Phase, in der die Stabilität in Europa abnimmt. Weil sich Russland um Rüstungsbegrenzung offenkundig kaum mehr schert. Und weil US-Präsident Donald Trump den Wert von Amerikas Bündnissen offen infrage stellt.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de