Nationalstürmer Timo Werner wurde zuletzt oft von Pfiffen begleitet – das soll nach dem Wunsch des Managers Oliver Bierhoff ein Ende haben.   Foto:  

Oliver Bierhoff fordert nach den vielen Pfiffen gegen Timo Werner von RB Leipzig Fairness des Stuttgarter Publikums ein. Für Thomas Müller bricht der Manager der Fußball-Nationalmannschaft eine Lanze.

Stuttgart - Wer immer dachte, Regierungserklärungen seien nur was für Politiker, kennt Oliver Bierhoff schlecht. Auch der Manager der Nationalelf weiß um die Wirkung von bewusst platzierten Botschaften, und so überraschte es kaum, dass Bierhoffs Auftritt im Museum des Stuttgarter Autosponsors der Nationalelf fast ein bisschen staatsmännisch angehaucht war.

Bierhoff positionierte sich am Mittwochmittag zu einigen brisanten Themen, wie das sonst im Politikerjargon heißt. Und was er zu sagen hatte, war klar und eindeutig. Es ging um den Stürmer Timo Werner und darum, wie das Stuttgarter Publikum ihn behandeln soll. Das ist nicht ganz unwichtig, da an diesem Montag in der Mercedes-Benz-Arena das WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen steigt (20.45 Uhr). Bierhoff hofft auf gute Stimmung, weshalb er zunächst das Loblied auf den Fußballstandort Stuttgart sang und noch mal die schönen Geschichten von der WM 2006 und dem begeisterten Empfang beim Spiel um Platz drei in der Stadt erzählte. Bierhoff sprach auch noch davon, dass die acht ehemaligen VfB-Spieler im Kreise der Nationalelf in diesen Tagen sehr gerne an ihre alte sportliche Wirkungsstätte zurückkehren – und dass er angesichts von bisher 46 000 verkauften Karten überzeugt sei, dass das Stadion am Montag voll wird.

Die klare Botschaft zu Timo Werner

Dann kam sie, die klare Botschaft zu Timo Werner: „Ich hoffe auf Unterstützung der Fans für jeden Nationalspieler, auch für Timo Werner, der mal hier war“, sagte Bierhoff. Die Nationalelf, ergänzte er, setze sich „für Deutschland ein, alle sind mit Herzblut dabei. Egal, wo wir spielen, egal, wer spielt, ich wünsche mir, dass wir unterstützt werden.“ Das, so Bierhoff weiter, „ist mein Appell“. Der einen einfachen Grund hat: Nach seiner mittlerweile fast schon legendären Schwalbeneinlage im Bundesliga-Spiel gegen den FC Schalke 04 im vergangenen Dezember (2:1) ist Werner für viele Fans ein rotes Tuch, zumal er auch noch für die von vielen ungeliebten Roten Bullen aus Leipzig kickt.

Oft wurde Timo Werner zuletzt in fremden Stadien ausgepfiffen und beschimpft – im Leipziger Trikot und auch im Dress der Nationalelf. Genau das soll nun in Stuttgart, dort also, wo Werner jahrelang in der Jugend spielte, nicht mehr passieren. Beifall und Applaus statt Pfiffe und Schmährufe für Timo Werner: Das und nicht weniger erhofft sich Bierhoff an diesem Montag. Deshalb sein klarer Appell. Der nicht der die letzte gewesen sein sollte am Mittwochnachmittag.

Bierhoff bricht auch eine Lanze für Thomas Müller

Der ehemalige Stürmer war im Angriffsmodus. Auch bei Bierhoffs nächster Botschaft ging es um einen Angreifer – dabei aber eher weniger um mögliche schlechte Manieren des Publikums. Denn bevor dieser allseits beliebte Gaudibursche im Nationaltrikot mal ausgepfiffen wird, müsste er wahrscheinlich in einem Spiel schon 30-mal nacheinander am leeren Tor vorbeischießen. Nein, bei Thomas Müller liegt die Problematik woanders: bei seinem Arbeitgeber, dem FC Bayern München. Sagt zumindest Oliver Bierhoff.

Bei Müller scheint es ja in dieser Saison beim Rekordmeister so weiterzugehen, wie es in der vergangenen aufgehört hat. Der Angreifer spielt nicht mehr, zumindest nicht immer. Der Trainer Carlo Ancelotti setzt nicht bedingungslos auf den Weltmeister, er setzt die Münchner Identifikationsfigur gefühlt lieber auf die Bank. Das hat hitzige Debatten ausgelöst, in die sich nun auch Bierhoff einmischte.

Der nämlich sprach in Stuttgart wieder Tacheles, dieses Mal in Richtung der Bayern-Führung. „Thomas Müller ist einzigartig“, sagte Bierhoff und betonte schnippisch, dass er im Nationalteam „eine feste Größe“ sei. Dann folgte Bierhoffs nächster Appell: „Ich hoffe natürlich, dass sich auch Bayern bewusst wird, dass er einfach eine Identifikationsfigur des Vereins ist“, sagte Bierhoff. Beim Rekordmeister müsse es heißen, „er muss spielen“, erklärte der DFB-Teammanager weiter: „Wegen ihm kommen die Leute ins Stadion. Er hat unglaublich viel erreicht und eine unglaublich hohe Qualität“, ergänzte der Manager. „Gerade als Stürmer brauchst du Rückendeckung.“ Und als wäre das alles noch nicht genug an Anweisungen für den FC Bayern, legte Bierhoff nach: „Die Bayern hatten im Jahr 2013 bei ihrem Champions-League-Sieg eine deutsche Achse.“

Die deutschen Nationalspieler sollen geliebt werden

Und die, meinte der Europameister von 1996, brauche es jetzt wieder. Bierhoff positionierte sich also wieder klar. Der Subtext, der im Fall Thomas Müller mitschwang, war irgendwie derselbe wie in der Causa Timo Werner: Den deutschen Nationalspielern soll es gut gehen, sie sollen am besten immer spielen und sie sollen geliebt werden. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Strategen des Rekordmeisters um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben Einmischungen in die Vereinspolitik aus dem Kreise der Nationalelf prinzipiell so gern wie die deutsche Vizemeisterschaft – im Falle von Müller werden sie Bierhoff zumindest inhaltlich kaum widersprechen. Die Führung des FC Bayern München betonte die besondere Bedeutung ihres Eigengewächses zuletzt immer wieder. So wie Joachim Löw. „Thomas“, sagt der Bundestrainer, „ist ein Führungsspieler.“