Ein solcher Volvo 7900 könnte zwischen Wilhelmsplatz Bad Cannstatt und Innenstadt verkehren. Foto: Volvo

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG soll eine neue Linie mit Elektrobussen bedienen. Noch kann kein Hersteller aus Deutschland sie liefern. Ob Mercedes bis im nächsten Jahr liefern kann, ist noch unsicher. Eventuell kommt dann auch Volvo zum Zug.

Stuttgart - Leise, abgasfrei und im Fünfminutentakt, so sollen so bald wie möglich Elektrobusse zwischen dem Cannstatter Wilhelmsplatz und der Innenstadt pendeln. CDU, Grüne und SPD im Gemeinderat wollen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) für die neue Elektrobus-Linie 7,75 Millionen Euro aus der Stadtkasse überweisen. Angeblich werden davon aber allein 1,5 Millionen Euro für Straßenbauarbeiten fällig. SSB-Vorstandschef Wolfgang Arnold will die Schnellbuslinie mit dem Kürzel X 1 am kommenden Dienstag im Technikausschuss des Gemeinderats vorstellen.

Die E-Bus-Linie soll den Kapazitätsmangel auf der Stadtbahnlinie U 1 ausgleichen und den Cityring abfahren. Und sie soll von Januar 2018 an, wenn in Stuttgart temporäre Fahrverbote für Diesel schlechter als Euro 6 greifen, Umsteigern am Knotenpunkt Cannstatter Wilhelmsplatz ein zusätzliches Angebot machen. Anders als beim Einsatz von Wasserstoff- und Hybridbussen geht es für den städtischen Nahverkehrsbetrieb nicht um einen Versuch. Die Fraktionen wollen, dass die Busline so lange besteht, bis die Bahnsteige entlang der U 1 auf 80 Meter ausgebaut sind und damit die Kapazität der Stadtbahn verdoppelt ist. Das wird noch viele Jahre dauern.

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Deutsche Hersteller hinken hinterher

Doch wer soll die E-Busse liefern? Wer auf die Angebotsseiten deutscher Hersteller schaut, der blickt auf eine Elektrobus-Wüste. Mercedes-Benz, mit 252 von 259 Bussen (Stand Ende 2015) quasi Hoflieferant für den SSB-Fuhrpark, hat die elektrifizierte Version seiner Citaro-Reihe für 2018 angekündigt. Ob dann bereits geliefert oder nur bestellt werden kann, ist aber unklar. Prototypen seien unterwegs, zu Batteriekapazität und Passagierzahl könne man noch nichts sagen. „Die Reichweite wird sicher kein Thema sein, wir sind nicht umsonst Technologieführer“, sagte ein Sprecherin der Mercedes-Bussparte.

Als Exoten hat die SSB noch drei Volvo 7900 HA Linienbusse (seit 2015) und vier MAN A 21 Lion’s City (2008) auf der Strecke. Aber keinen BYD. Der chinesische Hersteller BYD („Build Your Dreams“) mit Sitz in Shenzhen und einer Fertigung in Schottland hat im September 2016 gleich 51 und im Januar 2017 weitere 14 vollelektrische Busse an Transport for London sowie zwölf an die DB-Tochter Arriva nach Liverpool geliefert. In China fahren Tausende solcher Busse, und zwar den ganzen Tag ohne Nachladung, denn ein Batteriesatz hat eine Kapazität von 325 Kilowattstunden, die für 250 bis 2300 Kilometer ausreichen. Der chinesische Autobauer, der bis 2003 nur Batterien fertigte, gilt als Innovationstreiber und in der Branche als der tatsächliche Technologieführer.

Volvo hat seinen E-Bus bereits auf dem Markt

MAN will seinen Lion’s City „vor 2020“ in einer vollelektrischen Version anbieten. Volvo (das Unternehmen hat nichts mit dem gleichnamigen Autohersteller zu tun) hat seinen E-Bus dagegen bereits im Markt. Man garantiere für den 7900 Electric, wie er zum Beispiel in Göteborg fahre, selbst im schlechtesten Fall pro Batterieladung eine Reichweite von 20 Kilometern, sagt der für Hybrid- und E-Projekte bei Volvo zuständige Andreas Heuke.

Statt einem 300 Liter großen Diesel- und einem 30-Liter-AdBlue-Tank packt Volvo vier Batteriesätze mit einer Gesamtkapazität von 76 Kilowattstunden in den Fahrzeugboden. Das entspricht der kleinsten Größe, die der Autobauer Tesla für sein Modell S anbietet. „Die Batterien werden mit maximal 300 Kilowatt geladen, so tanken wir an den Endhaltestellen in sechs Minuten für 20 Kilometer Strom“, erläutert Heuke das seit 2015 in Göteborg angewandte System. Die Zuführung dockt automatisch von oben an verdeckte Stromabnehmer auf dem Bus an.

Volvo setzt also, anders als BYD, auf kleine Batteriepakete und häufiges Laden. Damit werde die Infrastruktur eines Busbetriebshofs beim nächtlichen Vollladen einer größeren E-Flotte nicht überfordert. Neben dem schwedischen Hersteller haben sich Iveco (Italien), VDL (Niederlande), Solaris (Polen) und Irizar (Spanien) im Verbund mit ABB und Siemens über die technischen Schnittstellen für schnelles Laden geeinigt. Die Infrastruktur solle auch Lieferwagen offen stehen, sagt Heuke.

Beim beabsichtigten Takt wären zehn bis zwölf Busse notwendig

Die von der Gemeinderatsmehrheit avisierten 7,75 Millionen Euro „würden wohl für zehn Busse und zwei Ladestationen reichen“, kalkuliert Heuke überschlägig. Beim beabsichtigten Takt und Fahrzeiten von 40 bis 60 Minuten für einen Umlauf (16 Kilometer) samt Laden wären zehn bis zwölf Busse nötig. Wobei die Strecke noch diskutiert wird. Die SPD wünscht, dass nicht nur Hauptbahnhof, Wilhelmsplatz und Rotebühlplatz, sondern auch das Milaneo angesteuert wird. Die Vorlaufzeit für einen Betriebsstart zum 1. Januar 2018 hält Heuke für „fast zu kurz“. Nach einer Auftragsvergabe „sollte man noch neun Monate haben“, sagt er.

Die SSB favorisiert dem Vernehmen nach eine Kombination aus Volvo und Mercedes als Lieferanten. Eine solche Mischung wäre für den Betrieb bei Wartung und Instandhaltung aber aufwendiger als das Produkt nur eines Herstellers. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Lieferung nicht europaweit ausgeschrieben werden muss – und wie dann ein chinesisches Angebot gewertet werden würde. Eine Anfrage unserer Zeitung zur neuen Buslinie blieb bei den SSB bisher unbeantwortet.